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Ende Juni 2022 ging eine 68-jährige Erfolgs geschichte zu Ende. Ausgefeuert.
Urs Müller war 32 Jahre bei SIBIRTherm tätig.
SIBIRTherm, die Ofenabteilung der SIBIRGroup AG, hat eine Ära beendet und die Türen geschlossen. Der Grund: Dieselöfen sind nicht mehr zeitgemäss.
Die Liegenschaft an der Goldschlägistrasse in Schlieren mutet nicht nur wie ein Stück Industriegeschichte an, sondern repräsentiert diese auch eindrücklich. Seit 1954 wurden in den Räumlichkeiten, die mit viel Patina versehen sind, über 50 000 Dieselöfen entwickelt, produziert, laufend verbessert, vermarktet und verkauft. Ein Blick ins Innere des Fabrikationsgebäudes macht die lange Unternehmensgeschichte sichtbar: Unzählige Querschnitte und ausgestellte Einzelteile zeigen die Entwicklungsschritte und auch die Innovationskraft der einzelnen Verantwortlichen in den jeweiligen Epochen.
In den Genuss von warmen Füssen, geheizten Räumen und Ferienchalets dank der ausgetüftelten Öfen kamen seit der Gründung der SIBIR-Ofenabteilung im Jahr 1954 viele Tausende Geschäftspartnerinnen und Wiederverkäufer. Die bekannteste Kundin hat die Firmengeschichte geprägt: die Schweizerische Bundesbahn. Während vieler Jahre standen in allen Wartesälen der SBB SIBIRTherm- Dieselöfen und machten das Warten für die Reisenden angenehmer. Die SBB hat damals gut gewählt: Die Öfen waren kostengünstiger als die der Mitbewerber, wurden vollständig in der Schweiz produziert, heizten kleine und auch grössere Warteräume sehr schnell auf und last but not least waren sie mobil. Dann,
FOTOS TIM X. FISCHER vor gut 30 Jahren setzten die SBB auf andere Heizungssysteme und SIBIRTherm fand eine Alternative vor allem auf dem Zweit- und Ferienwohnungsmarkt.
Obwohl technisch ausgereift und ökonomisch sehr vorteilhaft, können sich die Dieselöfen aus ökologischen Gründen nicht mehr behaupten. Heute steht Nachhaltigkeit im Fokus – die Ära der Dieselöfen ist beendet. Sie entsprechen schlicht nicht mehr dem Zeitgeist und dürfen auch nicht mehr in allen Schweizer Kantonen verkauft werden. Nichtsdestotrotz werden die äusserst langlebigen Heizkörper noch zu Tausenden in Schweizer Stuben Wärme spenden. Urs Müller, Betriebsleiter von SIBIRTherm, hält nach 32 Dienstjahren fest, dass er und sein verbleibendes Team von drei Mitarbeitenden für gut zehn Jahre Ersatzteile produziert hätten. « Die werden bei der SIBIRGroup eingelagert und sollten die allermeisten Bedürfnisse unserer Handels- und Servicepartner erfüllen.» Es ist offensichtlich, dass sich Urs Müller und seine Kollegen mit der Betriebsschliessung und dem Rückbau am Standort Schlieren schwertun. « Der Zeitpunkt ist aber zweifelsfrei richtig gewählt », betont Urs
Müller, « aber wenn man bedenkt, was wir hier alles geschaffen haben und der Ofen eigentlich nach wie vor tadellose Heizarbeit leisten würde, schmerzt es schon ». Er verdeutlicht das Geschaffene mit Zahlen aus der Firmengeschichte: Exakt 53 837 Öfen wurden produziert und ausgeliefert, gefertigt aus 3 500 Tonnen Stahl und entzündet von über 600 000 Zündkerzen. Zu Spitzen-( SBB-)-Zeiten arbeiteten 16 Personen für SIBIRTherm und produzierten knapp 1000 Dieselöfen jährlich. Während der letzten Jahre waren es jeweils noch rund 200 im Jahr.
Die letzten Tage der Firmengeschichte widmeten Urs Müller und seine verbliebenen Mitstreiter dem Verkauf und Rückbau des Maschinenparks, dem Einlagern der Ersatzteile und der Vorbereitung der Liegenschaftsübergabe. Der Abschied von SIBIRTherm ist kurz vor der Schlüsselübergabe mit einem Apéro für aktuelle und frühere Mitarbeitende, Handelspartner, Kundinnen und Kunden gefeiert worden. « Wir haben fast 100 Menschen mobilisiert. Der positive, erfolgreiche Geist der SIBIRTherm flackerte nochmals auf », hält Urs Müller fest und ergänzt mit hörbarem Kloss im Hals: « Doch nun ist der Ofen definitiv aus ».
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