HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 82

W STRATEGIEN MARKETING DAS PROBLEM Unternehmen investieren viel Geld in aufwendige Social-Media-Kampa - gnen. Sie glauben: Wer ein Produkt in einem sozialen Netzwerk wie Facebook likt, gibt anschließend auch mehr dafür aus. Doch dieser Zusammen hang lässt sich nicht beweisen. Studien zeigen vielmehr das Gegenteil. DIE LÖSUNG Viele Fans um sich zu scharen ist dann sinnvoll, wenn man sie nutzt, um den einzelnen Gruppen die für sie passende Werbung zuzuspielen. Da Facebook nicht auto - matisch allen Fans einer Marke die geposteten Inhalte zeigt, macht es Sinn, aktiv Werbung zu schalten und somit in den Timelines der Follower aufzutauchen. Auf diese Werbung reagieren die Kunden messbar. 82 HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017 perimenten haben wir die Komplexität allmählich erhöht, um herauszufinden, wie Facebook das Kundenverhalten steuern könnte. Zuerst testeten wir, ob das Liken einer Marke (also ihr passiv zu folgen) dazu führt, dass die Menschen die ent - sprechenden Produkte häufiger kaufen. Zweitens untersuchten wir, ob die Likes der User auch das Kaufverhalten ihrer Freunde beeinflussten. Drittens haben wir getestet, ob das Liken Einfluss auf andere Dinge als den Einkauf hat – ob es bei- spielsweise Menschen dazu bringt, sich gesund- heitsbewusst zu verhalten. Schließlich prüften wir noch, was es bringt, Plätze in den Newsfeeds der Follower auf Facebook zu kaufen – und ob diese gekauften Likes eine bedeutende Veränderung herbeiführen. Wir haben Facebook für unsere Ex- perimente ausgewählt, weil es das wichtigste so- ziale Netzwerk ist, aber wir glauben, dass unsere Erkenntnisse auch auf andere soziale Plattformen zutreffen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die sozialen Medien funktionieren nicht so, wie viele Vermark- ter glauben. Die reine Freude an einer Marke hat keinen Einfluss auf das Verhalten der Kunden und führt auch nicht dazu, dass si e mehr kaufen. Auch auf das Kaufverhalten von Freunden hat sie kei- nerlei Auswirkung. Es kann jedoch trotzdem sinn- voll sein, markengenerierte Inhalte zu fördern. Vorausgesetzt, dass Social-Media-Seiten Treff- punkte für treue Kunden sind, können sie für Marken eine maßgeschneiderte Quelle für Kun- denfeedback sein. Mit diesem Wissen können Ver- markter neue, erfolgreiche Social-Media-Strate- gien entwickeln. DIE TESTS MIT DEN LIKES Psychologische Grundprinzipien geben Anlass zu der Vermutung, dass das Liken einer Facebook- Seite tatsächlich das Verhalten ändern und Ver- käufe ankurbeln könnte. Forschungen zeigen, dass Menschen Wahrnehmungsdissonanzen er - leben, wenn ihre Handlungen nicht ihren Über- zeugungen entsprechen. Also wäre es nur ein- leuchtend, dass ein Social-Media-Nutzer, der eine Marke auf Facebook unterstützt, auch eher Pro- dukte dieser Marke kauft. Wir konnten das jedoch nicht bestätigen (siehe auch Kasten Seite 84). In einer unserer ersten Studien, die Leslie John und Oliver Emrich sowie zwei Kollegen der Harvard Business School (Michael Norton und Sunil Gupta) durchgeführt haben, wurde die Hälfte der Teil- nehmer eingeladen, eine neue Kosmetikmarke auf Facebook zu liken. Die meisten stimmten zu. Die andere Hälfte bekam diese Einladung nicht. Alle Teilnehmer erhielten nun Coupons für eine Gratis- probe. Das Einlösen sollte stellvertretend für KOMPAKT er mitmischen will in den sozialen Netzwerken, muss zu Facebook: 80 Prozent der „Fortune“-500-Unterneh- men betreiben dort eine Seite. Jeden Tag erscheinen hier Unmengen von markengenerierten Inhalten wie Artikel, Fotos oder Videos. Alle mit demselben Ziel: Menschen zu überzeugen, den Un - ternehmen zu folgen, sich mit ihnen zu beschäftigen und etwas von ihnen zu kau- fen. Sogar das amerikanische Außenministerium scheint fasziniert davon, Follower zu gewinnen. Um Facebook-Likes zu sammeln, hat das Ministe- rium zwischen 2011 und 2013 bereits 630 000 Dol- lar investiert. Vermarkter rechtfertigen diese Investitionen oft damit, dass Social-Media-Follower und ihr wach- sendes Engagement für die Marke die Verkäufe ankurbeln. Nach dieser Logik würden Menschen, die eine Marke in den sozialen Medien unterstüt- zen (beispielsweise durch ein „Gefällt mir“ auf Facebook), dann auch mehr Geld für Produkte die- ses Unternehmens ausgeben. Außerdem würde ihre Begeisterung auch ihre Freunde und deren Freunde zum Einkauf animieren – und so eine Kaskade an Neugeschäft auslösen. Auf den ersten Blick scheint die These schlüssig: Viele Marken ha- ben entdeckt, dass Kunden, die mit ihnen in den sozialen Medien in Verbindung treten, mehr Geld ausgeben als andere Kunden. Eine neue Studie, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Com - Score und Facebook, zeigt, dass Menschen, denen die Facebook-Seite von Starbucks gefällt oder die mit jemandem befreundet sind, dem die Seite ge- fällt, im Lauf eines Monats 8 Prozent mehr für Starbucks-Produkte ausgaben und 11 Prozent häu- figer dort einkauften. Diese und ähnliche Studien beinhalten aber einen fatalen Fehler: Sie verwech- seln Ursache und Wirkung. Es ist möglich, dass Menschen mehr kaufen, wenn sie einer Marke in den sozialen Medien folgen. Aber es ist genauso möglich, dass Menschen, die einer Marke gegen - über ohnehin schon positiv gestimmt sind, ihr sowieso eher folgen und darum dann mehr Geld ausgeben. Wir haben in den letzten vier Jahren 23 Experimente mit mehr als 18 000 Menschen durchgeführt. Wir benutzten eine A/B-Testmetho - de, um eine wichtige Alternative zu untersuchen: Wie hätten Follower sich verhalten, wenn sie der Marke nicht folgen würden? Angesichts der Tat - sache, dass bei vielen Unternehmen Millionen - budgets in die sozialen Medien fließen, ist diese Unterscheidung nicht trivial. Sie hat großen Ein- fluss auf die Etatplanung der Marketingabteilun- gen und darauf, wie sie die Präsenz ihrer Marken in den sozialen Medien gestalten. In unseren Ex-