Goldilocks Sonderausgabe Metaversum | Page 25

Interview
Wie gehen die Sparkassen aktuell und zukünftig mit dem Thema Metaversum um – und in welchen Geschäftsbereichen kann diese neue Technologie die größten Vorteile bringen ? S-Hub-Leiterin Milena Rottensteiner analysiert im Interview den Status Quo und gibt Einschätzungen und Ausblicke .
GOLDILOCKS Hallo Milena , was ist für dich ein Metaversum ?
Milena Rottensteiner
Es gibt nicht das eine Metaversum , sondern eine Vielzahl von Plattformen und Anbietern , die ihre jeweilige Vision verwirklichen wollen , von Meta über The Sandbox bis Fortnite . Metaversen heben die Grenze zwischen physischer und digitaler Welt auf – sie sind phygital und immersiv . Sie gehen für mich deutlich über die Idee einer virtuellen 3D-Welt , die wir mit VR-Brillen erkunden , hinaus . Man kann komplett eintauchen und nicht nur anschauen .
Treffen wir uns bald in einem Metaversum zum nächsten Kund : innen-Termin ?
Das kann sein , es ist aber ehrlich gesagt auch die naheliegendste Idee , dass wir einfach ein Abbild unserer physischen Welt in einer 3D-Welt bauen . Mir greift das zu kurz . Wir vom S-Hub fragen uns : Welche neuen Formen für Interaktionen , Kommunikation , Produkte und auch Infrastrukturen können wir gestalten ? Wie können wir komplexe finanzielle Themen zugänglicher machen ? Wie können wir Banking und Finanzen erlebbar machen , neue Ansätze entwickeln , um Finanzdaten zu entdecken ?
Welche Chancen bietet ein Metaversum deiner Meinung nach ?
Wahnsinnig viele . Von neuer Kundenbindung mit neuen Erlebnissen , Interaktionen und innovativer Finanzbildung bis zu neuen Produkten , Geschäftsmodellen oder eine neue Form des digitalen Besitztums . Die Bank of America nutzt über die VR-Lösung „ Stivr ” das Metaversum beispielsweise schon für HRund Personal-Trainings : Sie üben schwierige Kund : innen-Gespräche oder das Entdecken von Betrugsabsichten .
Welche Risiken sollten die Sparkassen im Hinterkopf haben beim Thema Metaversum ?
Das größte Risiko ist , Metaversen zu ignorieren oder abzutun . Beratungsfirmen wie McKinsey schätzen das Marktpotenzial im Bereich Metaversum auf fünf Billionen US-Dollar in 2030 ; Gartner prognostiziert , dass in 2026 ein Viertel der Weltbevölkerung täglich in einem Metaversum ist . Die Nutzer : innen- Akzeptanz und der Erfolg der Metaversen hängen von verschiedenen Faktoren ab , insbesondere vom technischen Fortschritt .
Das Thema steckt definitiv noch in den Kinderschuhen , aber wir konnten das Potenzial des Internets in den Neunzigern auch noch nicht greifen . Im Web 2.0 sind ja auch einige Dinge schief gelaufen : der Umgang mit Daten , die extreme Kommerzialisierung und damit einhergehend die Monopolstellung der großen Tech-Konzerne . Inwiefern es in den Metaversen fairer wird , ist offen .
Was sind hier die Risiken auf struktureller Ebene ?
Zum einen sind viele regulatorische Punkte noch offen , beispielsweise zu Betrugsrisiken , digitale Identitäten oder Datenschutz . Banken , die hier Initiativen starten , sollten im Idealfall schnell auf sich ändernde Vorschriften reagieren können . Gleichzeitig ist die Kernfrage , wie die systemischen Rahmenbedingungen aussehen werden . Sprich : Wer wird in der Entwicklung von Metaversen die Nase vorne haben und Standards setzen ? Wird sich das Thema ähnlich entwickeln wie bei den großen Digital-Plattformen ? Oder werden hier neue , dezentrale Plattformen vorherrschen – und werden diese interoperabel sein , also wird man seine Besitztümer , digitale Identität über die verschiedenen Plattformen hinweg nutzen können ?
Gibt es konkrete Fragen oder Möglichkeiten eines Metaversum , an denen innerhalb der Sparkassengruppe schon gearbeitet wird ?
Wir befinden uns in einer Research- und Beobachtungsphase . Das Interesse am Thema ist da , aber es ist auch für viele noch schwer greifbar . Im S-Hub haben wir uns dem Thema bisher experimentell genähert und mit STrade VR einen ersten Use Case entwickelt , um spielerisch zu erfahren , wie sich Wertpapierhandel eigentlich anfühlt , und wie Financial Education in einer virtuellen Umgebung funktionieren kann .
In welchen Unternehmensbereichen der Sparkassen sollte das Thema Metaversum mitgedacht werden ?
Natürlich in der Kundeninteraktion , -kommunikation und -beratung sowie der Finanzbildung . Aber auch mit Blick auf neue Produkte oder Payment-Prozesse kann das Feld spannend sein . Intern sehe ich spannende Chancen im Recruiting und Mitarbeiterschulungen .
Welche spannenden Projekte kennst du aus anderen Banken ?
Es gibt noch relativ wenige Beispiele – und in den wenigen Umsetzungen findet noch nicht allzu viel statt . Medial am präsentesten waren Großbanken wie JP Morgan oder HSBC , die virtuelles Land in Decentraland und The Sandbox gekauft haben , um dort virtuelle Filialen zu eröffnen . Auch die schweizerische Sygnum Bank hat eine Filiale im Decentraland aufgebaut . In der Onyx-Lounge von JP Morgan , die sich den Namen mit der Blockchain- Einheit der Bank teilt , können Kund : innen Bankservices virtuell durchführen .
Was zwar nicht von Banken stammt , aber auch spannend ist : Decentraland hat im August in Zusammenarbeit mit Metaverse Architects Studio und Transak Payment Gateway den ersten ATM in seine virtuelle Welt gebracht . Dort bekommen Nutzer : innen Kryptowährung – so wie sie auch Geld in der echten Welt abheben .
Welchen Umgang mit dem Thema Metaversum empfiehlst du den Sparkassen ?
Experimentieren , reflektieren , diskutieren . Und dann wieder von vorne . Ich glaube , dass wir auch hier – wie so oft bei technischen und kulturellen Innovationen – mit einem offenen „ beginner ’ s mind “ weiterkommen . Gleichzeitig müssen wir immer wieder die strategischen Ziele der SFG im Hinterkopf behalten , um uns nicht zu verzetteln . Wir können noch nicht sicher sagen , wo die Reise hingeht , aber um nicht am Ende Nachzügler zu sein , sollten wir uns zumindest damit beschäftigen und eigene Erfahrung sammeln , statt den Anderen nur dabei zuzusehen .
Danke für deine Einschätzungen , Milena !
DEZEMBER 2022 SONDERAUSGABE
Interview

METAVERSUM & SPARKASSEN

WIDERSPRUCH ODER SYMBIOSE ?

Wie gehen die Sparkassen aktuell und zukünftig mit dem Thema Metaversum um – und in welchen Geschäftsbereichen kann diese neue Technologie die größten Vorteile bringen ? S-Hub-Leiterin Milena Rottensteiner analysiert im Interview den Status Quo und gibt Einschätzungen und Ausblicke .
GOLDILOCKS Hallo Milena , was ist für dich ein Metaversum ?
Milena Rottensteiner
Es gibt nicht das eine Metaversum , sondern eine Vielzahl von Plattformen und Anbietern , die ihre jeweilige Vision verwirklichen wollen , von Meta über The Sandbox bis Fortnite . Metaversen heben die Grenze zwischen physischer und digitaler Welt auf – sie sind phygital und immersiv . Sie gehen für mich deutlich über die Idee einer virtuellen 3D-Welt , die wir mit VR-Brillen erkunden , hinaus . Man kann komplett eintauchen und nicht nur anschauen .
Treffen wir uns bald in einem Metaversum zum nächsten Kund : innen-Termin ?
Das kann sein , es ist aber ehrlich gesagt auch die naheliegendste Idee , dass wir einfach ein Abbild unserer physischen Welt in einer 3D-Welt bauen . Mir greift das zu kurz . Wir vom S-Hub fragen uns : Welche neuen Formen für Interaktionen , Kommunikation , Produkte und auch Infrastrukturen können wir gestalten ? Wie können wir komplexe finanzielle Themen zugänglicher machen ? Wie können wir Banking und Finanzen erlebbar machen , neue Ansätze entwickeln , um Finanzdaten zu entdecken ?
Welche Chancen bietet ein Metaversum deiner Meinung nach ?
Wahnsinnig viele . Von neuer Kundenbindung mit neuen Erlebnissen , Interaktionen und innovativer Finanzbildung bis zu neuen Produkten , Geschäftsmodellen oder eine neue Form des digitalen Besitztums . Die Bank of America nutzt über die VR-Lösung „ Stivr ” das Metaversum beispielsweise schon für HRund Personal-Trainings : Sie üben schwierige Kund : innen-Gespräche oder das Entdecken von Betrugsabsichten .
Welche Risiken sollten die Sparkassen im Hinterkopf haben beim Thema Metaversum ?
Das größte Risiko ist , Metaversen zu ignorieren oder abzutun . Beratungsfirmen wie McKinsey schätzen das Marktpotenzial im Bereich Metaversum auf fünf Billionen US-Dollar in 2030 ; Gartner prognostiziert , dass in 2026 ein Viertel der Weltbevölkerung täglich in einem Metaversum ist . Die Nutzer : innen- Akzeptanz und der Erfolg der Metaversen hängen von verschiedenen Faktoren ab , insbesondere vom technischen Fortschritt .
Das Thema steckt definitiv noch in den Kinderschuhen , aber wir konnten das Potenzial des Internets in den Neunzigern auch noch nicht greifen . Im Web 2.0 sind ja auch einige Dinge schief gelaufen : der Umgang mit Daten , die extreme Kommerzialisierung und damit einhergehend die Monopolstellung der großen Tech-Konzerne . Inwiefern es in den Metaversen fairer wird , ist offen .
Was sind hier die Risiken auf struktureller Ebene ?
Zum einen sind viele regulatorische Punkte noch offen , beispielsweise zu Betrugsrisiken , digitale Identitäten oder Datenschutz . Banken , die hier Initiativen starten , sollten im Idealfall schnell auf sich ändernde Vorschriften reagieren können . Gleichzeitig ist die Kernfrage , wie die systemischen Rahmenbedingungen aussehen werden . Sprich : Wer wird in der Entwicklung von Metaversen die Nase vorne haben und Standards setzen ? Wird sich das Thema ähnlich entwickeln wie bei den großen Digital-Plattformen ? Oder werden hier neue , dezentrale Plattformen vorherrschen – und werden diese interoperabel sein , also wird man seine Besitztümer , digitale Identität über die verschiedenen Plattformen hinweg nutzen können ?
Gibt es konkrete Fragen oder Möglichkeiten eines Metaversum , an denen innerhalb der Sparkassengruppe schon gearbeitet wird ?
Wir befinden uns in einer Research- und Beobachtungsphase . Das Interesse am Thema ist da , aber es ist auch für viele noch schwer greifbar . Im S-Hub haben wir uns dem Thema bisher experimentell genähert und mit STrade VR einen ersten Use Case entwickelt , um spielerisch zu erfahren , wie sich Wertpapierhandel eigentlich anfühlt , und wie Financial Education in einer virtuellen Umgebung funktionieren kann .
In welchen Unternehmensbereichen der Sparkassen sollte das Thema Metaversum mitgedacht werden ?
Natürlich in der Kundeninteraktion , -kommunikation und -beratung sowie der Finanzbildung . Aber auch mit Blick auf neue Produkte oder Payment-Prozesse kann das Feld spannend sein . Intern sehe ich spannende Chancen im Recruiting und Mitarbeiterschulungen .
Welche spannenden Projekte kennst du aus anderen Banken ?
Es gibt noch relativ wenige Beispiele – und in den wenigen Umsetzungen findet noch nicht allzu viel statt . Medial am präsentesten waren Großbanken wie JP Morgan oder HSBC , die virtuelles Land in Decentraland und The Sandbox gekauft haben , um dort virtuelle Filialen zu eröffnen . Auch die schweizerische Sygnum Bank hat eine Filiale im Decentraland aufgebaut . In der Onyx-Lounge von JP Morgan , die sich den Namen mit der Blockchain- Einheit der Bank teilt , können Kund : innen Bankservices virtuell durchführen .
Was zwar nicht von Banken stammt , aber auch spannend ist : Decentraland hat im August in Zusammenarbeit mit Metaverse Architects Studio und Transak Payment Gateway den ersten ATM in seine virtuelle Welt gebracht . Dort bekommen Nutzer : innen Kryptowährung – so wie sie auch Geld in der echten Welt abheben .
Welchen Umgang mit dem Thema Metaversum empfiehlst du den Sparkassen ?
Experimentieren , reflektieren , diskutieren . Und dann wieder von vorne . Ich glaube , dass wir auch hier – wie so oft bei technischen und kulturellen Innovationen – mit einem offenen „ beginner ’ s mind “ weiterkommen . Gleichzeitig müssen wir immer wieder die strategischen Ziele der SFG im Hinterkopf behalten , um uns nicht zu verzetteln . Wir können noch nicht sicher sagen , wo die Reise hingeht , aber um nicht am Ende Nachzügler zu sein , sollten wir uns zumindest damit beschäftigen und eigene Erfahrung sammeln , statt den Anderen nur dabei zuzusehen .
Danke für deine Einschätzungen , Milena !
DAS INTERVIEW FÜHRTE ANISSA BRINKHOFF
FINLETTER-REDAKTEURIN
PRÄSENTIERT VON