«Nein, Mama», antworte ich geduldig. «Einen Moment.» Ich mache Murat
ein Zeichen, gemeinsam verlassen wir die Küche und schliessen die Tür
hinter uns.
«Was ist los bei euch?»
«Wir sind nicht allein», flüstere ich verschwörerisch, «aber jetzt kann ich
frei sprechen.»
«Habt ihr das Buch noch?» Ein ungeduldiges Schlürfen begleitet die
Frage.
Murat klopft auf seinen Bauch.
«Ihr kommt jetzt sofort hierher. Ohne Umwege. Ich erwarte euch.»
Klick und weg ist er.
Auf Zehenspitzen verlassen wir die Wohnung von Frau Hugentobler.
Ein Junge auf einem Skateboard zeigt uns den Weg durch die
Quartierstrassen bis zum Bahnhof. Immer wieder schauen wir uns um,
doch die Mädchen lassen sich nicht blicken.
«Frauenfeld», steht auf dem Schild am Bahnhof.
«Dort oben durften wir mit der ganzen Klasse im Historischen Museum
in der Burg schlafen», sagt Murat. «Aber ohne dich, Alter, du warst noch
in Italien.»
Ich wische die Erinnerung an die Zeit, in der Mama wegen ihrer
Lungenkrankheit auf der Insel Elba bleiben musste, beiseite. Keine Zeit
für Heimweh. Erst einmal gilt es, das Buch bei Herrn Schwarz abzuliefern.
Siehe auch: «Kati und Sven und die verschwundene Mitra»,
Gmeiner Verlag, 2015
Wir haben Glück. Wenige Minuten nach unserer Ankunft fährt ein
Schnellzug ein, der uns nach Romanshorn bringt.
«Geschafft», sage ich, als wir uns auf die Sitze fallen lassen.
«Irgendwie merkwürdig.» Murat schaut zum Fenster hinaus. «Als wir
weggingen, war alles schwierig wegen dieser Krankheit. Man durfte
nirgendwo hingehen. Trotzdem waren wir in einem Bunker, schwammen