Fußball im Rheinland Fir_0320-ePaper | Page 26

Doppelpass
Fair ist mehr

Gänsehaut nach einer sportlichen Geste

Auszeichnung für FVR-Jahressieger Gerrit Oettgen
Foto : Fußballkreis Westerwald-Sieg

Fair Play oder Ausgleichstreffer : Vor dieser

Wahl stand Gerrit Oettgen am 1 . September 2019 beim Spiel zwischen seinem SSV Hattert und der SG Westernohe / Neunkirchen / Elsoff . Die SG war in der Begegnung am dritten Spieltag der Kreisliga B1 Westerwald / Sieg soeben mit 2:1 in Führung gegangen , die Gastgeber drückten auf den erneuten Ausgleich und sollten auch eine große Möglichkeit zum 2:2 bekommen . Dass diese nicht genutzt wurde , lag letztlich an SSV-Spieler Gerrit Oettgen , für den in diesem Moment ein anderer Aspekt des Sports wichtiger war als das blanke Ergebnis : Mit einem freiwillig verschossenen Elfmeter sorgte Oettgen für eine Fair-Play-Aktion , die in dieser Form auf Deutschlands Fußballplätzen eher selten vorkommt – und für die er nun als Jahressieger des Fußballverbandes Rheinland im Rahmen der DFB-Aktion „ Fair ist mehr “ ausgezeichnet wurde .
Was war also passiert ? „ Im Strafraum gab es einen Zweikampf zwischen einem Spieler von Westernohe und unserem Spieler Christopher Jung “, erinnert sich Oettgen . „ Beide gingen zum Ball und wollten ihn volley wegschlagen , beide treffen sich – und dann hörte ich nur noch einen Pfiff .“ Zunächst entschied der Unparteiische auf Freistoß für Westernohe . Doch direkt im Gegenzug sieht Oettgen , wie der Schiedsrichter auf den Punkt zeigt und auf Elfmeter für Hattert entscheidet . Danach kommt es zu hitzigen Diskussionen über die Frage , warum der Referee sich umentschieden und dem SSV einen Strafstoß zugesprochen hat . „ Darauf hat er meiner Meinung nach keine richtige Erklärung abgegeben “, meint Oettgen , der sich das Geschehen erst einmal distanziert angesehen und sich aus allen Diskussionen herausgehalten hatte .
Schlussendlich blieb es bei der zweifelhaften Elfmeterentscheidung , dem SSV bot sich die Gelegenheit zum 2:2 . „ Ich fragte unseren Spieler Yannick Löhr , ob er den Elfer schießen will “, berichtet Oettgen weiter . Löhr , der schon vom Punkt aus das 1:1
Preisträger Gerrit Oettgen ( Mitte ) mit FVR-Vizepräsident Dieter Kerschsieper ( links ) und Willi Simon ( Mitglied des Kreisvorstands Westerwald-Sieg ) erzielt hatte , war sich jedoch nicht sicher , ob er den Elfmeter ausführen wollte . Daher schnappte sich Oettgen die Kugel und sah sich mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert . „ Die Stimmung war ziemlich heiß , von allen Seiten wurde geredet und geschrien “, beschreibt Oettgen die skurrile Szenerie . „ Nach zwei Minuten habe ich mich dazu entschlossen , den Ball zum Torwart zu spielen . Ich habe das für mich allein entschieden , weil es gar keine Chance gab , es mit irgendwem zu besprechen .“
Was dann folgten , waren zunächst einmal positive Reaktionen : „ Spieler von Westernohe kamen nach der Szene und nach dem Spiel zu mir und meinten , sie hätten Gänsehaut gehabt und dass es eine sehr tolle Aktion gewesen wäre “, erzählt Oettgen . Aus den eigenen Reihen erfuhr der Stürmer Respekt , auch wenn der SSV den Ausgleich verpasste und am Ende mit 1:3 unterlag . „ Natürlich waren nicht alle damit einverstanden . Das ist völlig okay und normal – schließlich haben wir Punkte verloren “, weiß Oettgen , der aber anfügt : „ Dennoch geht es nicht immer nur um Punkte oder tolle Tore , sondern auch um die Menschlichkeit und darum , Vorbild zu sein .“
Anfang September dieses Jahres wurde Oettgen nun ausgezeichnet , FVR-Vizepräsident Dieter Kerschsieper überreichte ihm vor dem Spiel seiner neuen Mannschaft SG Alpenrod gegen seinen alten Verein SSV Hattert eine Urkunde sowie ein T-Shirt und eine Trinkflasche der Aktion „ Fair ist mehr “. Darüber hinaus wird Oettgen zusammen mit den Siegern der anderen Landesverbände zu einem Länderspiel der Nationalmannschaft eingeladen .
Willi Simon
26 FIR – Fußball im Rheinland 03 | 2020