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56 I FORUM FORUM I 57 Wie ist Ihr eigener sprachlicher Hinter- grund, wie haben Sie Fremdsprachen ver- mittelt bekommen in Ihrer Kindheit, Ihrer Jugend – und wie schwer fiel das? Runder Tisch: Mehrsprachigkeit aus interdisziplinärer Perspektive Die Psychologin Miriam Gade, der Sprachdidaktiker Heiner Böttger und der Pädagoge Jens Kratzmann beschäftigten sich in ihren jeweiligen Arbeitsgebieten mit dem Thema Mehrsprachigkeit. Forum Forschung hat die Wissenschaftlerin mit den beiden Wissenschaftlern zu einem Runden Tisch eingeladen, bei dem sie sich über ihren jeweiligen fachlichen und persönlichen Zugang zum Thema austauschten. Böttger: Sprachen lernen ist mir schon im- mer schwergefallen. Das ist im Grunde auch eine Motivation gewesen, dem Thema später so nachzugehen. An der Nordsee aufgewach- sen, mit Platt konfrontiert, das ich heute noch verstehe. Dann mit vier, fünf Jahren nach Nürnberg gezogen und noch das Frän- kische dazu erlebt. Und dann die Schulzeit, die mich konfrontiert hat zunächst mit Eng- lisch, danach mit Latein und Französisch. Und da hatte ich mir schon Gedanken ge- macht: Wenn man auf diese Art und Weise Sprachen lernt, ist das unglaublich anstren- gend und führte immer zu wenig Perfor- manz. Heute bin ich wirklich glücklich, dass ich Englisch verhandlungsfähig spreche und das meine Wissenschaftssprache ist. Kratzmann: Bei mir hat Mehrsprachigkeit letzten Endes überhaupt keine Rolle gespielt. Ich bin einsprachig, monolingual aufge- wachsen, wenn man Dialekte nicht unbe- dingt dazu zählt – ich komme ja aus dem Badischen, was man auch nicht mehr hört – mittlerweile. Aber vor der fünften Klasse, vor Schulenglisch und Schulfranzösisch, hat Mehrsprachigkeit für mich gar keine Rolle gespielt. Sprachen lernen war schwierig für mich und von daher ist das Einzige was ich jetzt auch noch einigermaßen beherrsche Englisch, aber auch eher im wissenschaft- lichen Bereich, weil ich es da dann letzten Endes gebraucht habe. Und zum Thema bin ich auch auf einem ganz anderen Weg ge- kommen. Letzten Endes über das Interesse an Migration, das sich in meiner Promotion ergeben hat und was ich danach eben immer weiter verfolgt habe. Da ist man dann schnell auch beim Thema Mehrsprachigkeit. Gade: Also ich bin in Oberbayern aufge- wachsen – das hört man auch deshalb nicht, weil ich am Starnberger See aufgewachsen Prof. Dr. Miriam Gade bin und dort lebt ja erfahrungsgemäß das mittlere Management von Siemens, das da- mals nach dem Krieg nicht aus Bayern kam (Gelächter). Von daher: Erste Kontakte mit der Fremdsprache kamen auch erst in der Schule. Sprachen lernen ist mir immer re- lativ leicht gefallen und wirklich gebraucht habe ich die Sprachen dann mit Beginn der Promotion beziehungsweise schon im Stu- dium, weil ich damals zum ersten Mal mit dem Wissenschaftsenglisch in Berührung kam. Das ist in unserem Fach, der Psycholo- gie – insbesondere in der Allgemeinen Psy- chologie – der Standard. Das führt dazu, dass ich ziemlich aufgeschmissen bin, wenn ich in Deutsch über meine Forschung sprechen muss. Mein Englisch ist da wesentlich besser. Ich bin dann nach Italien gegangen im ersten Postdoc. Da habe ich zum ersten Mal eine Interferenz zwischen Sprachen erlebt, weil ich Italienisch lernen musste und mir mein Französisch permanent Probleme bereitet hat. Das war dann auch die erste Idee, sich mal als Forscherin, die sich mit kognitiver Kontrolle befasst, anzugucken, wie man diese störenden Einflüsse nicht vermeiden kann. In meinem zweiten Postdoc war ich dann mit meiner Familie in der Schweiz und habe den Spracherwerb meines Sohnes bilingual miterlebt, weil natürlich auf dem Spielplatz Dialekt gesprochen worden ist – und dieses Schweizerdeutsch ist ganz klar kein einfacher Dialekt. Im Büro haben wir – weil wir ein internationales Büro waren – Englisch ge- sprochen und Hochdeutsch. Meine Tochter ist in der Schweiz geboren und war in einem