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16 I SCHWERPUNKT EMOTIONEN SCHWERPUNKT EMOTIONEN I 17 das unbewusste Fehlersignal war in der neutralen und der emotiona- len Aufgabe gleich ausgeprägt. Auf diese Weise konnte Maier nach- weisen, dass das frühe unbewusste Fehlerverarbeitungssystem emo- tionale Information berücksichtigt. schiedlich ausgeprägt. Starke Alexithymiker fühlen zwar etwas, kön- nen ihr subjektives Erleben aber nicht interpretieren oder beschrei- ben. Die Versuchspersonen in Maiers Studie erhielten Aufgaben mit und ohne affektive Komponente. Konkret sollten die Versuchsperso- nen entweder anhand von Gesichtern das Geschlecht der Abgebil- deten identifizieren, oder sie sollten den emotionalen Ausdruck des Gesichts beurteilen. Zusätzlich stand über dem Gesicht jeweils ein Geschlecht oder eine Emotion als Wort, das entweder dem Gesicht oder dem Gesichtsausdruck entsprach oder nicht. Eine klassische „Stroop“-Aufgabe, bei der mentale Verarbeitungskonflikte herbeige- führt werden. „Bei der Aufgabe mit der emotionalen Komponente haben wir bei gesunden Versuchspersonen ein stärkeres unbewusstes Fehlersignal im EEG beobachtet“, berichtet Martin Maier. Bei den Alexithymikern sei dieser Effekt dagegen nicht vorhanden gewesen – Dieser affektive Aspekt der Fehlerverarbeitung ist auch für das Lernen aus Fehlern relevant. In einer Kooperation mit der Universität Bolo- gna untersuchte Maier Schlaganfallpatienten mit einer Läsion in dem Gehirnbereich, der die emotionale Bewertung eines Fehlers liefern könnte. Diese Versuchspersonen waren ebenso wie gesunde Proban- den in der Lage, nach jeder Antwort zu sagen, ob diese falsch oder richtig war – die bewusste Fehlererkennung funktionierte also. Aller- dings fehlt bei diesen Patienten das frühe unbewusste Fehlersignal, das zeitgleich mit dem Fehler auftritt. Während nun gesunde Pro- banden klassisches Fehlerlernen durch eine Verhaltensanpassung zei- gen und langsamer und genauer werden, verbessern Probanden mit Gehirnläsion ihr Verhalten nach Fehlern nicht. Das zeigt zum einen, dass die unbewusste Fehlerreaktion und die spätere bewusste Fehler- erkennung unabhängig voneinander sind. Zum anderen wird deut- lich, dass die Verhaltensanpassung, das schnelle Lernen aus Fehlern in solchen Situationen mit der emotionalen Bewertung von Fehlern zu- sammenhängt, die sich wiederum in dem unbewussten Fehlersignal widerspiegelt. Auch hier zeigt sich die Relevanz von Emotionen für den Menschen und welche Implikationen sie für kognitive Fähigkei- ten – konkret Fehlerverarbeitung und Verhaltensanpassung – haben. Natürlich dürfe man allerdings das Lernen aus Fehlern hier nicht zu weit fassen, warnt Marco Steinhauser: „In diesem Fall geht es um einfache Aufmerksamkeitssteuerung, dass die Personen sich stärker fokussieren, wenn sie vorher Fehler gemacht haben. Es geht nicht dar- um, dass wir lernen, wie wir ein Gerät bedienen oder ähnliches. Das ist absolute Grundlagenforschung.“ Auf Basis solcher Studien würden Theorien der kognitiven Funktionen erstellt, die dann in der ange- wandten Forschung weiterverwendet werden können. ren und die Emotion zu klassifizieren – nicht aber auf den Gesichts- ausdruck. Dieser war manchmal kongruent, manchmal inkongruent, manchmal neutral hinsichtlich der als Wort abgebildeten Emotion. Normalerweise reagiert das Gehirn auf emotionale Gesichtsausdrü- cke – ob sie relevant sind oder nicht – immer mit einer Aufmerksam- keitsreaktion. Ist „Angst“ auf einem der Bilder zu lesen, gleichzeitig das Gesicht dazu aber freundlich, so reagiert die Versuchsperson so- wohl auf Angst, als auch auf die für die Aufgabe irrelevante Freude. Es ist über fMRT eine stärkere emotionale Reaktion der Versuchsper- son messbar relativ zu einer Kombination aus emotionalem Wort und neutralem Gesichtsausdruck. Grundlage des Experiments war die Theorie, dass kognitive Kontrolle wie die Steuerung von Aufmerksamkeit über die Detektion von Hand- lungskonflikten läuft. Wenn also das Gehirn einen Konflikt zwischen zwei Reizen feststellt, dann reagiert es mit der Verstärkung der Auf- merksamkeit auf den zielrelevanteren Reiz. „Wir haben uns gefragt, ob diese Konfliktüberwachung auch der Regelkreis ist, der die emo- tionale Reaktion reguliert. Unsere Hypothese war, dass immer dann, wenn in unserem Experiment ein Konflikt ausgelöst wird – wenn also der Gesichtsausdruck nicht zu dem Wort passt – im nachfolgenden Durchgang die emotionale Reaktion auf das irrelevante Bild reduziert wird“, so Steinhauser. Tatsächlich zeigte sich, dass in diesem Fall die emotionale Reaktion auf das irrelevante Gesicht im nächsten Durchgang nicht nur redu- ziert, sondern in manchen Hirnarealen sogar komplett abgeschaltet Trotz der überraschenden Ergebnisse ist Steinhauser zurückhaltend, denn „die von uns untersuchte Situation ist letztlich nicht auf kom- plexere Situationen im Alltagsleben übertragbar.“ Gleichzeitig aber betont er die Chancen, die sich aus dieser Grundlagenforschung erge- ben: „Die Studie zeigt, dass unser Gehirn in der Lage ist, unerwünschte emotionale Verarbeitung auszublenden. Und das ist eine sehr wichtige Sache.“ Aktuell starte der Lehrstuhl eine Kooperation mit dem Eich- stätter Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie unter der Leitung von Prof. Dr. Rita Rosner. Die beschäftigt sich derzeit in einem DFG-Projekt mit komplizierter Trauer – wenn also Menschen nach einem Verlust nicht mehr in ihr normales Leben zurückfinden. Ver- mutet wird, dass solche Personen den traumatischen Verlust mit stark emotionalen Gedanken wiedererinnern. Hier sieht Steinhauser eine Brücke seiner Grundlagenforschung in die angewandte Forschung: „Wir wollen untersuchen, ob die Fähigkeit der emotionalen Kontrolle etwas ist, das bei diesen Menschen weniger stark vorhanden ist.“ Und spätestens hier wird dann doch deutlich: Es ist letztlich nur ein Perspektivenwechsel, der zwischen der Emotion als Ausschlag in ei- ner dünnen, schwarzen Linie und der Emotion als subjektives Gefühl wie Freude oder eben Trauer liegt. ZUR PERSON Lassen sich Emotionen kontrollieren? Emotionen sind also wichtig für den Menschen. Dennoch gibt es Si- tuationen, in denen eine Kontrolle der Emotionen nützlich wäre – wie im klassischen Beispiel von Hund und Briefträger. Der Hund bellt. Der Briefträger vor dem Zaun weiß, der Hund ist angekettet und kann ihm nicht zu nahekommen. Trotzdem hat er Angst – denn un- ser System hat gelernt, in so einer Situation mit Angst zu reagieren. In diesem Kontext könnte was evolutionär sinnvoll ist negative Folgen haben, etwa eine Hundephobie. Die Frage, die sich Marco Steinhauser in Kooperation mit Kollegen aus Konstanz und Brisbane in Australien daher stellte, war: Ist unser Gehirn in der Lage, wenn es weiß, dass eine Emotion im Augenblick dysfunktional ist, diese emotionale Re- wurde. Die emotionale Reaktion glich der Reaktion auf die Kombina- tion mit einem neutralen Bild. Diese starke Veränderung überraschte auch Steinhauser: „Das System stellt den Konflikt fest und das Gehirn weiß innerhalb kürzester Zeit, wie es darauf reagieren muss: also in diesem Fall die emotionale Reaktion auf das Gesicht zu unterdrü- cken.“ aktion und die Aufmerksamkeit auf diesen emotionalen Reiz zu un- terdrücken? Die Antwort verblüffte auch Steinhauser selbst: „Unsere Befunde sagen: Ja, das geht! Das geht sogar ziemlich stark. Das bricht aber mit manchen Auffassungen, die seit Jahrzehnten in der Psycho- logie vorherrschen.“ Das Experiment, das zu der überraschenden Entdeckung führte, äh- nelt jenem zur affektiven Reaktion auf Fehlerverarbeitung. Auch in diesem Fall wurden Versuchspersonen Bilder von Gesichtern gezeigt, die zudem jeweils eine Emotion – wie Angst oder Freude – als Wort enthielten. Aufgabe war es, ausschließlich auf die Wörter zu reagie- Prof. Dr. Marco Steinhauser ist seit 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie an der KU. Zu den Arbeitsschwerpunkten seines Lehrstuhls gehören die Themen Aufmerksamkeit, kognitive Kontrolle sowie die Vorhersage und kognitive Verarbeitung menschlicher Fehlleistungen im Grenzbereich von Kognitiver Psychologie und Neurowissenschaft. Dr. Martin Maier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie. Prof. Dr. Marco Steinhauser Dr. Martin Maier