FahrRad 1/2016 | Page 12

Kontroverse Pro W ir sind leise, flott und brauchen wenig Platz. Wir sind kein Stau und verpesten die Luft nicht. Das wissen alle ­ und die Politik wird nicht müde, um uns Radfahrer zu buhlen. Meist sonntags, meist bei schönem Wetter, im Frühling. Dabei bleibt es, viel mehr passiert nicht. Denn wenn es um die konkrete Verkehrsplanung geht, bleiben unsere Interessen viel zu oft auf der Strecke. Kaum jemand nimmt uns wahr. Mit schwerwiegenden Folgen: Wir werden übersehen, geschnitten, abgedrängt und ausgebremst, nicht nur im alltäglichen Straßenverkehr, sondern auch in den Köpfen der Planer und Entscheider spielen wir eine Nebenrolle. Es muss sich etwas ändern. Und dafür ist ein Bewusstseinswandel erforderlich. Damit wir gesehen werden, müssen wir laut und unübersehbar für unsere Rechte demonstrieren, einmal monatlich, spontan und unorganisiert, als Gruppe von 15 und mehr Radfahrern, inmitten des Verkehrs. Das ist die CRITICAL MASS. Ursprünglich entstand diese friedliche Protestform in den USA. Seit 1997 in Berlin die erste CM auf deutschem Boden stattfand, erfreut sich diese anarchische und "spontane" Protestbewegung per Fahrrad wachsender Beliebtheit. Ausgehend von den Metropolen und befördert durch das Internet erreicht diese Umwelt­Radbewegung nun auch Städte wie Unna oder Lünen. Steht für die einen die Bewältigung der Klimakrise im Vordergrund, geht es für die anderen um 12 FahrRad Frühling 2016 ein konkretes Verkehrsprojekt vor Ort. Uns alle vereint die Überzeugung, dass Radfahren der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme ist. Obwohl die CRITICAL MASS als spontan friedliche und kreativ freundliche Form des Protests angelegt ist, gibt es Konflikte mit Autofahrern. Die sind zwar nicht gewollt, aber manchmal unausweichlich, denn für einige Autofahrer scheint das Recht des Stärkeren zu gelten. Das Unfallrisiko bei einer CM entspricht aber dem alltäglichen Risiko eines jeden Radfahrers. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir tragen den Protest radelnd und freundlich winkend weiter nach vorn. Wir sind viele! Björn Merkord