Extrablatt März 2015 | Page 3

3 Gespräch mit Hans-Ueli Vogt (45), SVP-Kantonsrat in Zürich und Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich: Selbstbestimmung stärken Volk und Stände haben die schweizerische Bundesverfassung beschlossen. Sie sind der Souverän. Doch heimlich und gezielt ist in den letzten Jahren der Vorrang des Völkerrechts gegenüber der Bundesverfassung vorangetrieben worden, und das Bundesgericht hat diesen Vorrang im Jahr 2012 bestätigt. In der Schweiz haben nun ausländische Gerichte und internationale Organisationen das Sagen. Diese Umkehr unserer Rechtsordnung, einem Staatsstreich ähnlich, muss rückgängig gemacht werden! Extrablatt: Herr Vogt, die SVP will mit der Selbstbestimmungs-Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» den Vorrang unserer Bundesverfassung vor dem Völkerrecht in der Bundesverfassung verankern. Das Konzept haben Sie entwickelt. Welche Ziele stehen dahinter? Richter» bezeichnen. Sie operieren weitgehend in einer eigenen Welt und treiben die Globalisierung der Politik und des Rechts fast unkontrolliert vo­ ran. Hans-Ueli Vogt: Es geht um die Frage: Wer bestimmt, was in der Schweiz als höchstes Recht gilt? Die Initiative gibt eine klare Antwort auf diese Frage: Die Schweizer Stimmbür­ gerinnen und Stimmbürger und die Kantone bestimmen, was in der Schweiz als höchstes Recht gilt, also Volk und Stände. Sie sind der Souve­ rän, die oberste rechtsetzende Gewalt im Land. Damit sind wir sehr gut ge­ fahren. Unsere freiheitliche Ordnung, aber auch unser Sozialstaat ist auf die­ ser Grundlage entstanden, nicht durch eine Anbindung an internationale Or­ ganisationen und ausländische Ge­ richte. Darum sollten alle, die für die Selbstbestimmung der Schweiz sind, die Selbstbestimmungsinitiative un­ terstützen, gleich, ob sie politisch links oder rechts stehen. Nur das zwingende Völkerrecht steht über unserer Verfas­ sung. Hans-Ueli Vogt: Wenn nun, wie das neuerdings vertreten wird, alles Völkerrecht – also nicht nur das zwin­ gende – über unserer Verfassung steht, heisst das, dass eine Handvoll Beamter und Richter in internationalen Orga­ nisationen und ausländischen Gerich­ ten in der Schweiz mehr zu sagen ha­ ben als 5 Millionen stimmberechtigte Schweizerinnen und Schweizer. Da­ durch wird die Demokratie ausgehöhlt, die Mitwirkungsrechte der Bürge­ rinnen und Bürger bestehen nur noch auf dem Papier: Sie können zwar noch abstimmen, aber wenn die Beamten und Richter in den internationalen Organisationen und ausländischen Gerichten etwas anderes beschliessen, ist das Ergebnis der Volksabstimmung Extrablatt: Wie definieren Sie den Unterschied zwischen Völkerrecht und Landesrecht? Hans-Ueli Vogt: Beim Völkerrecht kann man drei Quellen unterscheiden. Es besteht erstens aus den Verträgen, die die Staaten miteinander abschlies­ sen. Zweitens ist Völkerrecht das Recht von internationalen Organisationen, Behörden und Gerichten. Und drit­ tens gibt es einige gewohnheitsrecht­ liche Grundsätze des Völkerrechts. Landesrecht ist demgegenüber das Recht, das ein Staat selber geschaffen hat. Extrablatt: Was ist denn nun das Problem mit dem Völkerrecht? Hans-Ueli Vogt: Das Problem sind nicht die völkerrechtlichen Verträge. Das Problem ist der immer grössere Einfluss des Rechts von internationa­ len Organisationen, Behörden und Gerichten, wie zum Beispiel der UNO, der OECD, der EU oder des Europä­ ischen Gerichtshofes für Menschen­ rechte in Strassburg. In diesen Organi­ sationen, Behörden und Gerichten schaffen Beamte bzw. Richter für alle Lebensbereiche immer mehr neue Re­ gelungen, Richtlinien, Empfehlungen und Urteile. Die meisten dieser Beam­ ten und Richter müssen sich keiner demokratischen Wahl und Wieder­ wahl stellen, und sie tragen keine Ver­ antwortung für die finanziellen Las­ ten, die sie mit ihren Regelungen usw. den Staaten und letztlich den einzel­ nen Bürgern aufbürden. Man kann sie darum mit Fug und Recht als «fremde Extrablatt: Und was bedeutet diese Entwicklung für die Schweiz? Wenn nun, wie das neuerdings vertreten wird, alles Völkerrecht – also nicht nur das zwingende – über unserer Verfassung steht, heisst das, dass eine Handvoll Beamter und Richter in internationalen Organisationen und aus­ ländischen Gerichten in der Schweiz mehr zu sagen haben als 5 Millionen stimmberechtigte Schwei­ zerinnen und Schweizer.  bedeutungslos. Die Volksabstimmung verkommt zur Meinungsumfrage. Das ist aus meiner Sicht ein unhalt­ barer Zustand. Darum muss die Ver­ fassung über dem nicht zwingenden Völkerrecht stehen. Extrablatt: Gibt es Beispiele für diese Aushöhlung der Demokratie? Hans-Ueli Vogt: Man sieht das bei der Umsetzung der Ausschaffungsini­ tiative, die das Volk und die Kantone angenommen haben. Das Bundesge­ richt hat in seinem Urteil vom 12. Ok­ tober 2012 entschieden, dass das Par­ lament bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative die Rechtspre­ chung des Europäisch