Edelstahl Aktuell September 2022 Sample | Page 22

Hintergrund

Bild 6 : Schliffbilder der S-Phase von Mustern aus 1.4301 : links : Außendurchmesser mit leichten Nitridstreifen , Mitte und rechts : Innen- und Querbohrung mit deutlichen und durchlaufenden Nitridzeilen ( dunkler Bereich )
Die Gefügebilder der S-Phase in Bild 6 zeigen in den Bohrungen deutliche durchlaufende Nitridzeilen ( dunkle Streifen im Bild , Mitte ), während die Randschicht im Außendurchmesser nur vereinzelt dunkle angeätzte Streifen enthält .
Beispiele aus der Praxis Welle aus 1.4404 Bei einer Welle aus 1.4404 , die HARD-INOX-S behandelt wurde , traten in einem Korrosionstest ringförmige Korrosionstreifen an der Oberfläche auf , Bild 7 . Temperaturunterschiede im Prozess oder starke Materialschwankungen , die ein solches Phänomen hätten verursachen können , wurden ausgeschlossen . Eine Gefügeuntersuchung im Bereich der korrodierten Oberfläche brachte aber eine vollständig „ verschmierte “ Struktur in den randschichtnahen Bereichen zu Tage , Bild 7 . Diese wurde bei der mechanischen Bearbeitung durch eine ungünstige Einstellung des Zerspanungsprozesses ( falscher Spanwinkel , verschlissene Schneidkante ) verursacht . Die derart bearbeitete , plastisch verformte Oberfläche führte zu starker Nitridbildung , sichtbar durch die dunklen Streifen im Außenbereich der S-Phase . Auffällig ist zudem , dass auch die gefräste Nut starke Korrosionszeichen aufweist . Dieser Bereich wurde vermutlich
mit großen Zerspankräften bearbeitet . Idealerweise wird in diesem Fall die Zerspanung angepasst . Falls dies nicht möglich ist , lässt sich das Gefüge durch ein Lösungsglühen soweit einstellen , dass die Korrosionseigenschaften nach einem HARD-INOX-S-Prozess im Bereich des Grundmaterials liegen . Eine weitere Möglichkeit besteht darin , durch einen gezielten Abtrag die Nitridzeilen zu entfernen . Verschiedene Prozesse wie Beizen , Elektropolieren und Gleitschleifen können angewendet werden . Sie werden bedarfsweise beziehungsweise bauteilspezifisch eingesetzt .
Selbstschneidende Schrauben aus nichtrostendem Stahl Schrauben werden häufig gerollt . Bei Schrauben aus nichtrostendem Stahl führt das zu einer Verfestigung des Materials . Trotzdem besteht keine ausreichende Oberflächenhärte , um die Schneidfähigkeit des Gewindes sicherzustellen . Man begegnet diesem Umstand mit einer Hartmetallspitze an der Schraube oder der Verwendung von martensitischen nichtrostenden Stählen . Eine S-Phasen-Behandlung hat das Potential , die teure Lösung mit der Hartmetallspitze durch ein günstiges Verfahren zu ersetzen . Dabei ist zu beachten , dass beim
Patrick Margraf ist Leiter Geschäftsentwicklung und Technik bei der Härterei Gerster . Seit mehr als 70 Jahren bietet die Härterei Gerster AG Wärmebehandlungen an . HARD- INOX ® -S ist ein von Gerster entwickeltes Verfahren und wird für das Härten von nichtrostenden Stählen eingesetzt , jetzt auch in Nordrhein-Westfalen .
Bild 7 : Welle mit Korrosionserscheinungen . Im Kasten rechts oben ist der Schliff im Bereich eines solchen Korrosionsrings dargestellt . Die helle S-Phase ist durch eine schwarze Zeile im Außenbereich geprägt . Sie liegt im stark „ gewalkten “ Randbereich des Bauteils .
Bild 8 : Schnitt durch das Gefüge einer Schraube aus 1.4401 , die eine S-Phase ( heller Saum ) im Randbereich aufweist . Auffällig sind die deutlich sichtbaren Verformungslinien durch das Rollen im Gewindegrund .
22 edelstahl aktuell | Ausgabe 7 | September 2022