Edelstahl Aktuell September 2022 Sample | Page 21

Hintergrund

Fachbeitrag von Patrick Margraf - Teil 2 : Härten von nichtrostenden Stählen ohne Verlust der Korrosionsbeständigkeit

Im zweiten Teil seines Beitrags erläutert Patrick Margraf die Gründe für Korrosionserscheinungen in austenitischen Stählen im stabilen Bereich trotz Festlegung des Prozessfensters .
Legierungszusammensetzung Es ist bekannt , dass Molybdän die Stabilität der gehärteten Randzone erhöht . Zerfallsreaktionen der übersättigten Randschicht in Nitride und Carbide werden deutlich verzögert . So bilden sich bei den 1.43xxer Stählen ( CrNi-Stähle mit ca . 18 Masseprozent Cr und 10 Masseprozent Ni ) häufig schon bei Prozesstemperaturen ab 400 ° C Strukturen , die im metallographischen Schliff anätzbar sind und auf starke Ausscheidungsvorgänge zurückzuführen sind . Demgegenüber weisen die 1.44xxer oder V4A-Stähle bis > 440 ° C kaum Ausscheidungen auf . Wie oben beschrieben sind solche Ausscheidungen hinsichtlich Korrosionsbeständigkeit nachteilig . Bei der Stahlauswahl empfiehlt sich bei Anwendungen mit hohen Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit deshalb die Verwendung von Mo- oder sogar Ti-legierten Stählen , wie dem X2CrNi- Mo17-12-2 , 1.4404 , oder dem X6CrNiMoTi17-12-2 , 1.4571 .
Bearbeitungszustand des Gefüges Es ist bekannt , dass in Gefügen mit einer hohen Fehlstellendichte Atome , insbesondere Chrom , leichter diffundieren können . Diese Beweglichkeit vereinfacht die Bildung von Ausscheidungen . Hohe Fehlstellendichten finden sich speziell in Korngrenzen und stark kaltverformten Bereichen . Befinden sich diese in randnahen Zonen , kommt es in Folge von S-Phasen-Wärmebehandlungen zu einer reduzierten Korrosionsbeständigkeit durch Carbid- oder Nitridbildung . Anhand von Untersuchungen an definierten Mustern und einigen Anwendungsbeispielen soll der Einfluss der Vorbearbeitung der Bauteile auf die Korrosionsbeständigkeit nach einer S-Phasen-Behandlung aufgezeigt werden .
Bild 4 : Muster mit definierten , aber realistischen Oberflächenzuständen .
Definierte Proben Im Rahmen einer Projektarbeit wurden Muster mit definierten , aber realistischen Oberflächenzuständen hergestellt . Damit sollte am gleichen Bauteil der Einfluss unterschiedlicher Bearbeitungen bewertet werden können . Wie in Bild 4 gezeigt , waren die Oberflächen gedreht , gebohrt und geschliffen . Die Muster wurden sowohl aus 1.4301 als auch aus 1.4435 gefertigt . Damit konnte der Einfluss der unterschiedlichen Legierungselemente , insbesondere von Molybdän , dargestellt werden . Nach einer HARD-INOX-S-Behandlung ( Bezeichnung für die S-Phasenbehandlung der Härterei Gerster AG , CH- Egerkingen ) wurden die Muster in einem Korrosionstauchversuch nach DIN EN 8442 geprüft . Die Resultate sind in Bild 5 für Muster aus 1.4301 dargestellt . Während die geschliffenen und mit Einschränkungen auch die gedrehten Oberflächenpartien keine Korrosion aufweisen , liegt im Innendurchmesser der Bohrung starke Korrosion vor .
Bild 5 : Korrosionserscheinungen an Mustern aus 1.4301 nach einer identischen HARD-INOX-S-Behandlung : Der Innendurchmesser zeigt aufgrund des Herstellungsprozesses starke Korrosion auf . Der Außendurchmesser wurde nachbehandelt und weist praktisch keine Korrosionserscheinungen auf . edelstahl aktuell | Ausgabe 7 | September 2022 21