Dynamo Dresden Dynamo Kreisel zum 4. Dresdner Traditionstag | Page 48
Interview
Im Zuge der Themenwoche zum 4. Dresdner Traditionstag sprachen wir mit
Matthias Sammer. Bei Dynamo entwickelte er sich von Kindesbeinen an
zum Ausnahmefußballer und legte im Anschluss an seine über 100 Pflicht-
spiele im schwarz-gelben Trikot, in dem er zweimal DDR-Meister und
einmal FDGB-Pokalsieger wurde, eine Weltkarriere hin.
Danach prägte er als Trainer sowie Sportfunktionär den deutschen Fußball
mit seiner polarisierenden Art nachhaltig.
Am 27. Februar 2020, noch vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie,
trafen wir uns mit Matthias Sammer in seiner Wahlheimat München im
Büro von Dieter Hoeneß, der ihn 1990 als Manager des VfB Stuttgart von
Dynamo weglockte.
Was hat es Ihnen als Kind bedeutet, das
Dynamo-Trikot tragen zu dürfen?
Da muss man ein bisschen unsere Geschichte
kennen. Mein Vater hat ja auch bei diesem Club
gespielt und meine Mama nahm mich schon im
Kinderwagen und als Kleinstkind mit. Oben auf
der sogenannten Terrasse, die die Alteingeses-
senen bestimmt noch kennen, konnte ich mir die
ersten Spiele anschauen. Dazu kommt die Tatsa-
che, dass ich schon mit fünf Jahren bei Dynamo
meine ersten fußballerischen Schritte getätigt
habe. Natürlich entsteht dann in der Verbindung
zu diesem Trikot eine Nähe, die einen stolz und
glücklich macht, und als kleinen Jungen in der
Begeisterung sowieso.
In der Saison 1989/90 waren sie längst Stamm-
spieler und haben in 28 Pflichtspielen 15 Tore
erzielt. Viele sprechen von ihrer besten Saison
im Trikot der Sportgemeinschaft. Was verbin-
den Sie abgesehen vom Abschied aus Dresden
mit dieser letzten Spielzeit bei Dynamo?
Hier muss ich ein bisschen ausholen: Ich habe
mit 17 die ersten Spiele noch bei meinem Vater
gemacht und speziell an die Entwicklungen zu
48
dieser letzten Saison noch gute Erinnerungen,
weil es einige klassische Begleiterscheinungen
gab, die mich getroffen haben. Also erstmal bin
ich schnell nach oben geschossen, DDR-Natio-
nalspieler und U18-Europameister geworden.
Das war alles unglaublich. Dann trat aber irgend-
wann die Normalität ein und ich zog mir zwei
Muskelverletzungen zu, die leider hausgemacht
waren. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, meinen
Rhythmus wiederzufinden. Durch das intensive
Training kam ich als junger Spieler damals zwar
mit den Belastungen unter der Woche noch
einigermaßen aus, aber schaffte es nicht mehr,
das wieder bis ins Wochenende zu den Spielen
tragen. Das beschäftigte mich ein gutes halbes
Jahr und ließ mich auch ein wenig zweifeln.
Danach ging es wieder raus aus diesem Loch, ich
konnte mich sportlich stabilisieren und wieder
durchstarten. In der Hinsicht kam die Wende für
mich dann zum sportlich idealen Zeitpunkt, um
den nächsten Schritt zu gehen.
Im Sommer 1990 steht Ihnen mit 22 Jahren als
hochbegabtem Fußballer mitten im krassen
Umbruch der Wende plötzlich die ganze Welt