divingEurope 2|2024 | Nr. 38 | Page 812

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Wildes Campieren kommt bei den Menschen vor Ort gar nicht gut an und daher muss ich meistens auf Campingplätzen übernachten . Gottseidank sind die rund um den See in wirklich ausreichender Anzahl vorhanden .
Meine Idee ist , direkt nach den Sommerferien in Bayern und Baden-Württemberg aufzubrechen . Dann sollte es am See weniger Bootsverkehr und Tourismus geben . Hoffentlich sind aber noch alle Campingplätze offen .
Es geht los ! Die etwas ausgedehntere Schnorcheltour startet sehr vielversprechend in Romanshorn , die ersten beiden Tage sind sommerlich warm . Danach folgt aber leider ein Kälteeinbruch und Regen . Die Nächte und die Tage mit 11 Grad Celsius sind deutlich kälter als von mir erwartet . Echt Shit : mein Zelt ist komplett undicht und schon nach 50 Kilometer stellt sich in mir eine „ ob ‘ s das jetzt so bringt Stimmung “ ein . Die Nächte werden immer länger , ich grüble immer mehr . Und ein undichtes Zelt bedeutet auch in der Nacht weiterhin nass zu sein . Hat man so viele Stunden am Tag im Wasser verbracht , muss das ja nicht auch noch nachts im Schlafsack sein . Nächte , in denen man nicht gut schläft , zehren an einem gewaltig und bieten keine verdiente Erholung . Wenns zu hart kommt , gönne ich mir daher gelegentlich einfach eine naheliegende Pension , um hier zu nächtigen und um meine Sachen wieder zu trocknen .
Nach den ersten 100 Kilometern merke ich die Belastung auf meinen Muskeln und vor allem die Kälte . Mein 3-mm-Anzug ist für deutlich wärmere Gewässer vorgesehen . Und so fröstle ich zunehmend im kalten Wasser immer früher . Nur mit viel Willenskraft schaffe ich die Etappen , speziell beim
Rheinzufluss in den Bodensee im eiskalten Wasser , wo ich schon zu Beginn einer jeden sechs- bis siebenstündigen Etappe fast den Hintern abfror .
Als das letzte Viertel , quasi der Endspurt , vor mir liegt , wird es besonders schlimm : Ab Lindau wird das Wetter hundsmiserabel . Stürmische Böen und erneuter Regeneinbruch im Zelt nagen an meiner Zuversicht . Aber so kurz vor dem Ziel aufgeben ?
Im Rheindelta zwischen Bregenz und Rohrschach , was eigentlich eine wunderschöne Gegend ist , komme ich tatsächlich an mein Limit . „ Du hast es doch bald , jetzt nicht aufgeben “ – so der einstimmige Tenor meiner Freunde am Handy , die fast tagtäglich anrufen . Also weiter und durch !
Fast geschafft : Heute ist der 30 . September und mir fehlen nur noch ganz wenige Kilometer bis wieder nach Romanshorn . Dann habe ich den See vollständig schwimmend umrundet , als erster Mensch überhaupt . Viele beeindruckende Erlebnisse über und unter Wasser liegen hinter mir mit insgesamt fast 180 Kilometer im Bodensee . Ich kann noch gar nicht glauben , dass es morgen vorbei sein soll und ich werde lange und oft an diese große Tour zurückdenken .
Auf der anderen Seite bin ich bin auch heilfroh , dass es endlich geschafft ist . Meine bisher größte und schwierigste Reise und das in unserer Heimat : vom Untersee über den Überlinger See bis zum Obersee .
Strahlend geschafft – Nik Linder geht in die Annalen des Bodensees ein
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