divingEurope 2|2025 | Nr. 42 | Page 763

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über Null, sind es hier unten auch nur plus 2 Grad. Alex signalisiert mir, dass uns das Seil keinen weiteren Spielraum lässt: Mittlerweile ist unser Eisloch rund 50 Meter entfernt. Also steigen wir entlang des Seebodens gemächlich in einem großen Radius Richtung Uferzone höher und passieren dabei einzelne Felsen und Baumstümpfe.
Knapp unter dem Eis ist sie wieder da, diese phantastische Atmosphäre. Trotz des Zwiebelschalenprinzips meiner Klamotten merke ich, wie mir die Kälte nun doch so langsam in den Trockentauchanzug kriecht. Spätestens jetzt ist es Zeit, den Rückweg anzutreten.
Wir schwimmen Richtung Ein- und Ausstiegsloch. Ich bin sicher, dass wir nach der halben Stunde in einer völlig anderen Welt ebenfalls von einem Ohr bis zum anderen grinsen werden.
Die anderen grinsen dann meist genauso zurück – sie kennen das ja auch. Als wir die Wasseroberfläche erreichen, sehen uns aber etliche Augenpaare mehr erwartungsvoll an: „ Und? Was gibt‘ s da unten zu sehen? Fische?“ Zu unserer Tauchtruppe haben sich ein paar Wandersleute auf den zugefrorenen See gewagt.„ Nein,“ müssen wir sie enttäuschen, „ Fische sind hier Fehlanzeige.“ Uns ist das heute vollkommen egal: Es ist das Unwirkliche, diese völlig fremde Umgebung, das den Reiz des Eistauchens ausmacht. Schließlich werden wir und unsere Flaschen aus dem Wasser auf‘ s Eis „ geliftet“. Da nur wenige Taucher aus Sicherheitsgründen gleichzeitig im Wasser sind, findet sich immer eine helfende Hand von oben, wenn man behäbig wie ein pazifisches Walross mit den dicken Handschuhen versucht, seinen Oktopus zu sichern oder eben wie wir jetzt aus dem Wasser aussteigen will.
Und dann aber: Reißverschluss öffnen, schnell die Mütze aufsetzen, heißer Tee her. Die Sonne wärmt zwar etwas, nur an den Füßen hilft das nicht. Einer unserer Mittaucher hat hier Abhilfe geschaffen und seinen luxuriösen Gaskocher auf‘ s Eis geschleppt. Jetzt hält er seine Füße abwechselnd in das warme Wasser im Alukessel.
Für den Rest des Tages werden immer wieder die Rollen getauscht, neue Buddy- Teams finden sich, es gibt einen frischen Leinenwart oder einen stets bereiten Sicherungstaucher. Auch unsere Fotografen kommen voll auf ihre Kosten – „ special effects“ dank Bengalo-Feuern inklusive. Als ich das dritte Mal an diesem Tag aus dem Wasser komme, verschwindet die Sonne gerade hinter der Gipfelkette der anderen Talseite.
Schlagartig wird es kälter, auf dem Wasser des Einstiegslochs sieht man bereits wieder eine hauchzarte Eisschicht. Mein vorhin noch feuchtes Handtuch ist jetzt bretthart gefroren und dient dem letzten Stand-By- Personal für neckische Spielchen.
Ganz klar: das war‘ s für heute in Sachen Tauchen. Die Ausrüstung wird zum Trocknen in einem Schuppen aufgehängt. Nein: wirklich oder auch nur annähernd trocken wird hier nichts, aber es gilt zu verhindern, dass man am nächsten Morgen einen steif
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