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Wildes Campieren kommt bei den Menschen vor Ort gar nicht gut an und daher muss ich meistens auf Campingplätzen übernachten. Gottseidank sind die rund um den See in wirklich ausreichender Anzahl vorhanden.
Meine Idee ist, direkt nach den Sommerferien in Bayern und Baden-Württemberg aufzubrechen. Dann sollte es am See weniger Bootsverkehr und Tourismus geben. Hoffentlich sind aber noch alle Campingplätze offen.
Es geht los! Die etwas ausgedehntere Schnorcheltour startet sehr vielversprechend in Romanshorn, die ersten beiden Tage sind sommerlich warm. Danach folgt aber leider ein Kälteeinbruch und Regen. Die Nächte und die Tage mit 11 Grad Celsius sind deutlich kälter als von mir erwartet. Echt Shit: mein Zelt ist komplett undicht und schon nach 50 Kilometer stellt sich in mir eine „ ob‘ s das jetzt so bringt Stimmung“ ein. Die Nächte werden immer länger, ich grüble immer mehr. Und ein undichtes Zelt bedeutet auch in der Nacht weiterhin nass zu sein. Hat man so viele Stunden am Tag im Wasser verbracht, muss das ja nicht auch noch nachts im Schlafsack sein. Nächte, in denen man nicht gut schläft, zehren an einem gewaltig und bieten keine verdiente Erholung. Wenns zu hart kommt, gönne ich mir daher gelegentlich einfach eine naheliegende Pension, um hier zu nächtigen und um meine Sachen wieder zu trocknen.
Nach den ersten 100 Kilometern merke ich die Belastung auf meinen Muskeln und vor allem die Kälte. Mein 3-mm-Anzug ist für deutlich wärmere Gewässer vorgesehen. Und so fröstle ich zunehmend im kalten Wasser immer früher. Nur mit viel Willenskraft schaffe ich die Etappen, speziell beim
Rheinzufluss in den Bodensee im eiskalten Wasser, wo ich schon zu Beginn einer jeden sechs- bis siebenstündigen Etappe fast den Hintern abfror.
Als das letzte Viertel, quasi der Endspurt, vor mir liegt, wird es besonders schlimm: Ab Lindau wird das Wetter hundsmiserabel. Stürmische Böen und erneuter Regeneinbruch im Zelt nagen an meiner Zuversicht. Aber so kurz vor dem Ziel aufgeben?
Im Rheindelta zwischen Bregenz und Rohrschach, was eigentlich eine wunderschöne Gegend ist, komme ich tatsächlich an mein Limit. „ Du hast es doch bald, jetzt nicht aufgeben“ – so der einstimmige Tenor meiner Freunde am Handy, die fast tagtäglich anrufen. Also weiter und durch!
Fast geschafft: Heute ist der 30. September und mir fehlen nur noch ganz wenige Kilometer bis wieder nach Romanshorn. Dann habe ich den See vollständig schwimmend umrundet, als erster Mensch überhaupt. Viele beeindruckende Erlebnisse über und unter Wasser liegen hinter mir mit insgesamt fast 180 Kilometer im Bodensee. Ich kann noch gar nicht glauben, dass es morgen vorbei sein soll und ich werde lange und oft an diese große Tour zurückdenken.
Auf der anderen Seite bin ich bin auch heilfroh, dass es endlich geschafft ist. Meine bisher größte und schwierigste Reise und das in unserer Heimat: vom Untersee über den Überlinger See bis zum Obersee.
Strahlend geschafft – Nik Linder geht in die Annalen des Bodensees ein
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