CEWE OnTour 02/2019 | Page 48

Gestaltung Deutschland feiert 100 Jahre BAUHAUS Vor einem Jahrhundert gegründet und heute noch von größter Aktualität: Die Kreativschmiede Bauhaus ist auch für kreative Fotografen eine fast unerschöpfliche Inspirationsquelle. Zur Feier des Jahres zeigen wir Ihnen, was Sie von den Gestaltungslegenden in Sachen Formen und Farben lernen können. Text: Wolfgang Heinen O Paul Klee, Postkarte Nr. 4 zur Bauhaus- Ausstellung in Weimar im Sommer 1923 48 stimmt anzunehmen, dass jeder Künstler das ‚At- bwohl die Gründung des Bauhauses jetzt men‘ der noch unberührten Grundfläche – wenn 100 Jahre her ist, gelten die festgelegten auch unbewusst – empfindet und dass er mehr Grundlagen für gute Gestaltung nach wie oder weniger bewusst die Verantwortung gegen- vor: Punkt, Linie, Fläche, Form, Farbe, Kontrast, über diesem ‚Wesen‘ fühlt und sich bewusst wird, Dynamik, Rhythmus, Schwerpunkt, Schrift, Mus- dass eine leichtsinnige Misshandlung dieses We- ter, Symbol, Zeichen – alle diese Begriffe wurden sens etwas vom Mord an sich hat. Der Künstler ‚be- damals in der Theorie analysiert und in die Praxis fruchtet‘ dieses Wesen und weiß, wie folgsam und umgesetzt. Daraus ergab sich unter anderem eine ‚beglückt‘ die Grundfläche die richtigen Elemente neue avantgardistische Fotografie, die sich durch in rechter Ordnung aufnimmt.“ Will sagen: Eine Motive der Industriekultur, extreme Perspektiven, leere Seite im ­­CEWE ­FOTOBUCH ist der Beginn die Beschäftigung mit Oberflächenbeschaffenheit eines kreativen Schaffensprozesses, bei dem die und Materialeigenschaften auszeichnete. Aber wel- verwendeten Elemente (Fotos, Schrift, Grafik) nicht che Rolle spielt die Bauhaus-Fotografie heute? Was als Einzelteile wirken, sondern in ihrer Beziehung können wir von den Thesen und Entwicklungen untereinander als Teile der gesamten Doppelseite. von damals für die aktuelle Fotopraxis lernen? Das nennt man dann „Formbeziehungen“: Diese Das sogenannte „Neue Sehen“ war vor 200 Jah- entstehen durch die Anordnung von Formen auf ren so etwas wie eine visuelle Revolution. Schräge einer Grundfläche und entscheiden Perspektiven, dynamische Blickfüh- wesentlich über Wirkung und Aus- rungen, angeschnittene Motive: Es WALTER GROPIUS geht nicht mehr darum, die Wirklich- 1919 wurde Walter Gropius zum Direktor des druck des Fotobuchs. Wir fotografieren zwar keine For- keit auf einem Foto naturgetreu ab- „Staatlichen Bauhauses in Weimar“ ernannt. men, sondern Motive – aber in je- zubilden, sondern sie individuell und Neuartig war vor allem die Ausbildung, bei dem unserer Motive ist eine der neu zu interpretieren. Dies jedoch der ein Handwerker und ein Künstler die Grundformen enthalten: Eine Blüte nicht einfach so nach gestalterischer Ausbildung gemeinsam leiteten. Für Gropius entspricht einem Kreis oder einem Lust und Laune, sondern nach kom- war das Bauhaus ein intellektuelles Labor, Punkt, ein Berg lässt sich formal auf positorischen Grundprinzipien, die vor dessen Ergebnis erst erfunden werden sollte. ein Dreieck reduzieren, ein Haus allem der Maler Wassily Kandinsky sieht aus wie ein Rechteck, ein Ge- formuliert hat. Sein Buch „Punkt und sicht entspricht mehr oder weniger der Form eines Linie zu Fläche“ ist auch heute noch eines der wich- Ovals. Das heißt fürs ­­CEWE ­FOTOBUCH: Wir ab- tigsten Standardwerke in der Ausbildung zu krea- strahieren das Motiv auf seine innere Grundform, tiven Berufen. Bauhaus-Lehrer Kandinsky hat sich um diese dann auf der Grundfläche der Doppel- auch in Sachen Fläche und damit übertragbar auch seite zu einem harmonischen, spannenden Ganzen zur Foto­buch-Gestaltung geäußert: „Es ist aber be- 49