Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Musik - Aus mystischer Sicht von Hazrat Inayat Kha | Page 17
heit dieser Freiheit, die zu ihrer ursprünglichen Natur gehört; und
das nächste Geheimnis, das diese Legende uns offenbart, ist, dass die
Seele nur aus dem einzigen Grund in den Körper aus Ton* oder Materie eingezogen ist, um die Musik des Lebens zu erfahren und diese
Musik sich selbst bewusst zu machen. Und wenn wir diese beiden
großen Geheimnisse zusammenfassen, werden wir uns des dritten
Geheimnisses bewusst, das das Geheimnis aller Geheimnisse ist. Es
ist, dass der unbegrenzte Teil unseres Selbst begrenzt und erdverbunden wird, um dieses Leben, das das äußere Leben ist, fassbarer
zu machen.
Aus diesem Grund gibt es einen Verlust und einen Gewinn. Der
Verlust ist der Verlust von Freiheit, und der Gewinn ist die Erfahrung des Lebens, der dadurch vollkommen wird, dass wir in dieses
eingeschränkte Leben eintreten, das wir das Leben eines Individuums nennen.
Unser ganzes Sein ist Musik, das vermittelt uns das Gefühl, zu
Musik hingezogen zu sein; unser Geist und unser Körper, die Natur,
die uns geschaffen hat, alles, was neben und um uns ist, ist Musik;
und wir sind all dieser Musik ganz nah und leben und bewegen uns
und haben unser Sein in Musik.
Deshalb interessiert uns Musik und zieht unsere Aufmerksamkeit
an und erbaut uns, denn sie steht in Einklang mit dem Rhythmus
und dem Ton, die den Mechanismus unseres ganzen Seins aufrechterhalten. Was uns in jeder unserer Künste erfreut, sei es Zeichnen,
Malen, Holzschnitzen, Architektur, Bildhauerei oder Dichtung, ist
die Harmonie hinter ihnen, die Musik. Was Dichtung uns spüren
lässt, ist Musik – der Rhythmus in der Dichtung oder die Harmonie
von Gedanke und Ausdruck. In Malerei und Zeichnen vermittelt
uns unser Gefühl für Proportion und Harmonie all die Erbauung,
die wir beim Bewundern von Kunst erfahren. Und wenn wir der
Natur nahe sind, spricht uns die Musik der Natur an, und die Musik
der Natur ist sehr viel vollkommener, als die der Bildenden Kunst.
* das deutsche Wort Ton hat ja zwei Bedeutungen, einmal „Klang“ – im englischen
„sound“ und einmal „Lehm“ – im englischen „clay“; hier liegen beide Bedeutungen dicht
beieinander
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