Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Seele der Steine von Firos Holterma-Leseprobe | Page 12
tur. Die Evolution der Schöpfung geht nach der Ansicht des Sufimeisters Jelaluddin Rumi durch verschiedene Bewusstseinsstadien. Auf der Stufe des Mineralreiches schläft die Natur. Auf der Stufe des
Pflanzenreiches träumt sie. Im Tierreich wacht sie auf. Und im Menschen wird sie sich selbst bewusst.
Die ganze Natur ist also beseelt. Es gibt für die Sufis nicht so etwas wie unbeseelte Natur. Aber es gibt
unterschiedliche Arten der Beseeltheit.
Es gibt keine Grenze zwischen der Welt des Geistes und der Welt der Materie. Statt Grenzen sollten
wir von Übergängen reden. Der Übergang zwischen dem Zustand vor der Schöpfung und der Entstehung des Kosmos ist ein Prozess, worin „Geist“ anfängt „Materie“ zu durchdringen. Und zuerst fand
dieser Prozess in einer Art Tiefschlaf des Universums im Mineralreich statt.
Vergeistigung der Materie heißt einerseits Diversifizierung. Aus einer unförmigen Masse entsteht eine
unglaubliche Vielfalt an Formen und Farben: der ganze Reichtum der Welt der Mineralien. Und andererseits ein Ausdifferenzieren von grob nach edel. Die Edelsteine sind als Krone des Mineralreiches
entstanden, mit dem Diamanten an der Spitze. Allerdings sollte damit nicht gemeint sein, dass sie zum
Schluss der mineralischen Entwicklung entstanden.
Alle Aspekte der Seele fanden ihren anfänglichen Ausdruck in der Mineral-Vielfalt. Alle Qualitäten
fanden ihre erste Form in der Welt der Steine. Die Sufis unterscheiden 99 verschiedene seelische Qualitäten. Natürlich sind es mehr. Die Zahl 99 steht für die größtmögliche Vielfalt.
Mensch und Stein haben eine gewisse Interdependenz.
Mensch und Stein haben große Ähnlichkeiten und enorme Unterschiede.
Beide drücken die ganze Vielfalt der Schöpfung aus.
Aber wo der Stein dies tut in einer Art von Tiefschlaf, ist der Mensch dabei sich als Ausdruck der Vielfalt, nicht nur im Mineralreich, sondern auch im Pflanzen- und Tierreich, zu entdecken. Wir Menschen
haben den ganzen Kosmos in uns, sagt Hazrat Inayat Khan. Wir sind als einzelne Wesen durch die Naturreiche mit ihren verschiedenen Bewusstseinsstufen gegangen. Wir haben in unserem Wesen einen
mineralischen Aspekt, einen pflanzlichen und einen tierischen. Und somit sind wir jeweils ein Kosmos
in Miniatur. Nur wir wissen es nicht und sind also noch nicht richtig Mensch geworden. Laut den Sufis
unterscheiden sich Menschen von den anderen Lebewesen darin, dass sie sich ihrer Qualitäten bewusst
sind. Und so können wir sagen, dass das enorme Interesse für die Wirkung der Mineralien ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Menschen ist. Nirgendwo in der Natur finden wir Aspekte der Seele
so klar, eindeutig, still und glänzend wie im Stein.
Der Stein schläft. Wissenschaftliche Nachforschungen haben ergeben, dass Bewusstseinszustände wie
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