BIG PICTURE digital 11/2015 | Page 23

Every Thing Will Be Fine Zwölf Jahre nach einem schlimmen Unfall findet James Franco wieder zu sich selbst. Autorenfilmer Wim Wenders beobachtet das Gefühlsleben eines Schriftstellers unter dem 3D-Brennglas. E in leider vergeblicher Gedanke: „Ich wünschte, ich könnte das, was passiert ist, ungeschehen machen“, sagt Schriftsteller Tomas (James Franco) im Verlauf des Films zur Mutter des Jungen, den er getötet hat. Seit dem unglückseligen Autounfall im Schneetreiben sind schon Jahre vergangen, doch Tomas kommt über das Geschehen nicht hinweg. Während Kate (Charlotte Gainsbourg), die Mutter, Trost im Glauben findet, treibt der Autor ziellos durch seinen Alltag. Nachdem er den kleinen Nicolas überfahren hat, zerbricht seine Beziehung mit Freundin Sara (Rachel Mc­ Adams), auch der spätere Versuch, mit Ann und deren Tochter eine Patchworkfamilie zu gründen, bleibt schwierig. Tomas lässt niemanden an sich heran, torpediert seine Liebesbeziehungen mit Sprachlosigkeit und Distanz. Wirklich ehrliche Gespräche führt er im Verlauf der zwölf gezeigten Jahre ei- gentlich nur mit Kate. Sie gibt ihm keine Schuld und hat ihre ganz eigene Art, mit dem Verlust des Kindes fertigzuwerden. Als ihr zweiter Sohn Christopher im Teenageralter an den mittlerweile berühmten Schrift- zur verhängnisvollen Nacht eher mäßig bekannt, lässt das schreckliche Erlebnis ihn als Schriftsteller wachsen, was ihm auch finanziellen Erfolg beschert. Das macht die Figur nicht unbedingt liebenswerter, aber die Story authentisch. Was bewirken Katastrophen beim Einzelnen? Wie gehen wir mit Schuld und Verantwortung um? Warum ist es so schwierig, sein Leben wieder aufzunehmen, wenn man aus der Bahn geworfen wurde? Der stets etwas sediert wirkende James Franco spielt das großartig – hier passt seine Verpeiltheit mal.[sr] Fazit: Zutiefst menschlicher Blick auf einen Unfall und seine Folgen „Niemand hat mich je so verletzt wie du!“ Sara steller herantritt, schließt sich der Kreis. Wim Wenders wählt keinen linearen Ansatz für sein Schuld-und-Reue-Stück, sondern beleuchtet verschiedene Etappen im Leben von Tomas nach dem herben Einschnitt. Hier gibt es kein flottes Aufarbeiten der Geschehnisse, keine vorschnelle Katharsis. Obwohl den zentralen Charakter keine wirkliche Schuld trifft, wird sein ganzes Dasein auf den Kopf gestellt. Und der Unfall hat nicht nur negative Folgen. War der Autor bis OT: Every Thing Will Be Fine, D/CAN/SWE/NOR 2015 R: Wim Wenders D: James Franco, Charlotte Gainsbourg, Rachel McAdams FSK: 6 Jahre L: 115 Minuten Anbieter: Warner Bereits auf DVD und Blu-ray erhältlich Wertung ✪✪✪✪✪ big-picture-magazin.de 23