BIG PICTURE digital 10/2015 | Page 15

Die Wunderwelt des menschlichen Gehirns als raumschiffartige Kommandozentrale der Emo­ tionen – das kann nur Pixar einfallen W er hat sich beim seltsamen Betragen seiner Mitmenschen noch nicht gefragt, was in deren Kopf wohl vorgeht? Pixar gibt uns jetzt Antworten. In unseren Gehirnen sitzen Freude, Angst, Kummer, Wut und Ekel an einer komplexen Schaltzentrale und kontrollieren unseren Gefühlshaushalt. Bei der elfjährigen Riley war das bisher ein leichter Job. Ihre glückliche Kindheit in Minnesota bot vor allem Freude reichlich Einsatzmöglichkeiten. Ob beim ausgedehnten Hockeytraining mit den Eltern, beim Spielen mit der besten Freundin oder beim selbstversunkenen Zeichnen, das kleine Mädchen stand stets auf der Sonnenseite des Lebens. Doch jetzt beginnt ein Abschnitt, der ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Papa hat einen neuen Job angenommen, die Familie siedelt nach San Francisco über. Das Haus in der Stadt wirkt ohne Möbel düster und abweisend, der erste Tag in der Schule ist ein Desas­ter und auch der Sport macht nicht mehr so viel Spaß wie früher. Riley hat Heimweh. Das macht ihre fünf großen Gefühle erstmal ratlos. Turbulent wird es, als Freude und Kummer in Folge eines Unfalls aus dem Kommandozentrum gesaugt werden und sich in den endlosen Fluren des Langzeitgedächtnisses wiederfinden. Während sich das ungleiche Duo auf den beschwerlichen Rückweg macht, „Gute Arbeit, Gentlemen. Haarscharf an der Katastrophe vorbei!“ Wut übernehmen oben Wut, Angst und Ekel die Kontrolle. Das hat natürlich unmittelbare Folgen für Riley, die überhaupt nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht und verzweifelt versucht, der ungewohnten Emotionen Herr zu werden. Nach einigen schwächeren Sequels („Cars 2“, „Die Monster Uni“) findet Pixar zu alten Stärken zurück und liefert unter der Regie von Peter Docter („Oben“) ein farbenfrohes und vor Ideen überbordendes kleines Meisterwerk ab. Während Erwachsene etwa über eine gefährliche Abkürzung im Gehirn rätseln können, die Abstraktion und Dekonstruktion veranschaulicht, werden Kinder Gefallen finden am imaginären Freund Bing Bong, der die Exilanten quietschvergnügt auf einem Teil der Reise begleitet. Wir erkunden die Traumproduktion, in der professionell wie in Hollywood jede Nacht wilde Filme gedreht werden, besteigen den Zug der Gedanken und statten auch dem Friedhof der Erinnerungen einen Besuch ab. Freude und Kummer wachsen im Laufe ihrer Odyssee (die auch kleine Längen hat) zu einem echten Team zusammen, bei dem klar wird, dass jedes Gefühl seine Berechtigung hat und wichtig ist – eine ebenso simple wie schöne Botschaft. [sr] Fazit: Die Gefühle haben das Kommando bei Pixars neuem Hit, der auf der Suche nach seelischem Gleichgewicht Herz und Hirn gleichermaßen anspricht – erstaunlich originell! OT: Inside Out, USA 2015 R: Peter Docter, Ronaldo del Carmen Sprecher: Kai Wiesinger, Katja von Garnier, Olaf Schubert FSK: ohne Altersbeschränkung L: 95 Minuten Verleih: Disney Ab 1. Oktober 2015 im Kino, auch in 3D Wertung ✪✪✪✪✪ big-picture-magazin.de 15