BayernTurner 06 I 2021 | Page 18

18 TURNFEST-TICKER

So fing es an : Fest turnen ! Turnfest !

Neue Ideen , neue Themen , neuer Schwung
Die Turnfestidee nimmt Fahrt auf : Bleibende Muster entstehen
1862 , beim ersten Turnfest der bayerischen " Turngenossen " in München , war es noch um " vaterländische Gedanken " gegangen . " Eine nie rastende Sehnsucht ( ging bei dem Fest ) durch die Herzen der Turner . Freiheit und ein einiges , großes deutsches Vaterland " verklärten jedes Turnfest zum politischen Bekenntnis . Jedoch 1871 , mit der ( kleindeutschen ) Reichsgründung " Alldeutschlands ", fielen diese Motive weg . Nur in Österreich blieben sie noch lange unter den Turnern lebendig . Was aber auch im und nach dem Turnfest von Regenburg 1875 " angesagt " war , das war das Bestreben , die immer größer werdende Schar der Turnbegeisterten nach innen und außen zu einer Einheit werden zu lassen . Dieser Wunsch nach Harmonie erlaubte es andererseits auch nicht , sich von den einzelstaatlichen Monarchien , hier also vom bayerischen Königshaus , ernsthaft zu distanzieren . Ganz im Gegenteil : Die Loyalität der bayerischen Turner galt dem bayerischen König genauso wie dem deutschen Kaiser . Das Wittelsbacher Herrscherhaus belohnte die Turnbewegung , indem es den Turnfesten wachsende Bedeutung verlieh . Sei es als " Protektor " und Schirmherr , sei es als Ehrenpräsident des Festes , die Prinzen und Prinzessinnen als " eifrigste Zuschauer und Zuschauerinnen der turnerischen Übungen , welche sie zum großen Theil selbst einst gepflegt haben , bzw . noch pflegen ", wie es vom Turnfest in München hieß . Mit großem Stolz vermerkte der Vorsitzende der bayerischen Turner das Anrecht der bayerischen Turnbewegung , von nun an " König Ludwig als Schirmherrn der Turnerei preisen zu dürfen ".
Weiterhin : Orientierung auf das große Ganze
Dazu wurden alle " Register kollektiver Erinnerung gezogen " v . a . mit Hilfe von Symbolen , Fahnen , Jahnbüsten und Eichenlaubkränzen . Den Teilnehmern und Zuschauern wurde so die Begeisterung für das Turnen und darüber hinaus für das gemeinsame Vaterland vermittelt . Damit waren Rituale und ausdrucksstarke Elemente des Festlichen eingeführt , die dann auch die Jahrhunderte überdauern sollten , wenngleich ohne den politischen " Überbau ". Die für alle folgenden Turnfeste beispielgebenden Massenfreiübungen von Regensburg symbolisierten dabei die Turnerideologie , das Individuum als starkes Element der großen Gemeinschaft zu präsentieren und es zugleich auf Gott , Kaiser und Vaterland hin zu orientieren .
" Unsportliche " Wettbewerbe als politische Demonstration
Die Übungen und Wettbewerbe auf den Turnfesten verdeutlichten von nun an die Prinzipien des Turnens . So demonstrierte das " Gemeinturnen ", bei dem alle Teilnehmer die gleiche Übung turnten , dass der Einzelne als Teil eines Ganzen aufzufassen sei . Dies spiegelte sich auch in den Wettkampfprinzipien wider : Sowohl bei den Vorführungen von Musterriegen als auch bei den Massenfreiübungen kam es nicht auf Höchstschwierigkeiten an , sondern vor allem auf die " richtige " Haltung und das Gleichmaß der Ausführung . Die Beherrschung der mühsamen Vielfalt des Turnens mit seinen Ordnungs- und Freiübungen , dem Preisturnen , Muster- , Kür- und Schulturnen war da wichtiger als der Einfluss des Sports , der sich von England her auch in Bayern verbreitete . Doch der orientierte sich mit seinem Rekord- , Leistungs- und Konkurrenzprinzip an den gleichen Werten wie die Arbeitswelt - und das entsprach nicht dem turnerischen Geist der Ganzheitlichkeit .
No sports !
Das galt im Wesentlichen jedoch nur für die sogenannte bürgerliche Turnbewegung , die dann Ende des 19 . Jahrhunderts auch in Bayern Konkurrenz durch den sozialistisch orientierten Arbeiter-Turnerbund und deren " Freie Turner " bekam . Vielen Arbeitern war der Kaiserkult der Deutschen Turnerschaft , in Bayern die Nähe des Bayrischen Turnerbundes zu den Wittelsbachern und die Forderung nach Turnen als Beitrag zur Wehrerziehung an Bayerns Schulen zu viel gewesen . Und das galt auch nicht für die Anhänger der so genannten " Sport " -Bewegung , die nach den auf Regensburg ( 1875 ) folgenden Turnfesten von Straubing ( 1879 ), Bamberg ( 1882 ), Augsburg ( 1886 ), spätestens aber ab dem 8 . Turnfest von Würzburg ( 1890 ) nicht mehr aufzuhalten waren .
Einheit der Gleichen
Was sich aber hielt , und das sogar bis weit ins 20 . Jhd . hinein , war das Bild , das die Turnvereine bei den großen Festzügen ihrer Turn- und Jugendfeste in der Öffentlichkeit abgeben wollten : Die große Einheit , bei der alle gleichberechtigt aktiv sind . Dies war an den Kleidungsvorschriften und Elementen für diese Auftritte zu erkennen , wo das einheitliche Weiß als Pflichtbekleidung galt . Bei den Schweizer Turnern galt dies offiziell bis 1972 , im Österreichischen Turnerbund ÖTB zumindest als bun-