Ausgebrannt? Rettungspläne für die Demokratie 2/2021 - Page 22

BILDEN
© Sofia Platform
Gedanken im Wind : SchülerInnen besuchen das verlassene Dorf Oreshari im Süden Bulgariens . Nach einer Unterrichtsstunde im Freien halten sie ihre persönlichen Eindrücke fest .
munistischer Nostalgie in seiner Argumentation . Ich kann weder ihn noch andere dafür verurteilen . Seine Jugend erlebte Dimitar teilweise zu Zeiten des kommunistischen Regimes , teilweise in der unsicheren Zeit der Transformation . Eine beständige kommunistische Scheinsicherheit mag da für manche erträglicher erscheinen als die Unvorhersehbarkeit einer sich im Aufbau befindenden Demokratie . Im Jahre 2021 nimmt Dimitar am Programm Europa für die BürgerInnen teil , dass von der Sofia Platform Foundation in Kooperation mit dem Verein MitOst in Berlin und der Stiftung Mercator durchgeführt wird . Es geht dabei um Selbstwirksamkeit und die Frage , was aktive BürgerInnen auf lokaler Ebene brauchen , um sich stärker am gesellschaftlichen Leben beteiligen zu können und andere zu motivieren es ihnen gleichzutun . Dimitar und zwei Dutzend weitere Teilnehmende werden das Gelernte in einem kleinen Projekt umsetzen .
Gemeinschaft leben lernen In Bulgarien ist es schwierig , PhilanthropInnen von der Bedeutung solcher Projekte zu überzeugen . Viele folgen einer Mischung aus traditionellen , modernen und vom Kommunismus übriggebliebenen Werten . Umso wichtiger ist es , die Menschen mit der Vergangenheit zu konfrontieren und sie zu versöhnen , um so ein in die Zukunft gerichtetes demokratisches Handeln zu fördern . Das ist ein langwieriger Prozess , dessen Ergebnisse selten unmittelbar sichtbar werden . Trotz aller Herausforderungen ist es uns bisher immer wieder gelungen , meist ausländische UnterstützerInnen zu überzeugen und unsere Bildungsprojekte umzusetzen . Wir arbeiten und forschen außerhalb der Hauptstadt Sofia , oftmals in strukturschwachen Regionen . Wir nennen diese Regionen daher auch civic deserts ( zivilgesellschaftliche Wüsten ). Je tiefer wir uns mit dem Thema auseinandersetzen , desto öfter stoßen wir auf ein Gefühl der Ohnmacht angesichts der vielen Hindernisse . Zugleich wächst aber auch der Respekt gegenüber Menschen wie Dimitar , die sich unermüdlich dafür einsetzen , Jugendliche zur aktiven Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu befähigen . Dies ist keine leichte Aufgabe , denn die BürgerInnen in Bulgarien und anderer Gesellschaften Osteuropas müssen mit unterschiedlichen Herausforderungen gleichzeitig umgehen : einerseits mit den traumatischen Erfahrungen aus der Zeit totalitärer Regime und Umbrüche , andererseits mit gegenwärtigen Gefahren für die Demokratie , wie Populismus , Fake News , etc . Der Wertekompass unserer Gesellschaften ist ein Sammelprodukt all dieser Erfahrungen und Herausforderungen . Der
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