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A S O ! September 2014
Textil – mit fair geht mehr!
Am 25. August 2014 um 19.00 hatten die
Zukunftscharta des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Augsburger Allgemeine
(AZ) ins Staatliche Textil- und Industriemuseum Augsburg zu einer vielversprechenden
Veranstaltung eingeladen.
Im Namen des BMZ und des Medienpartners
AZ diskutierten der Bundesminister Dr. Gerd
Müller, die beiden Augsburger Textilunternehmer Christian Dierig und Sina Trinkwalder
sowie der Landsberger Bügelgerätehersteller
Günther Veit über das Thema: „Textil – mit fair
geht mehr!“. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Stefan Stahl, dem Leiter der
Wirtschaftsredaktion der AZ.
Bundesminister Dr. Müller zeigte sich überzeugt davon, dass die angestrebte Einführung
und Umsetzung von Zertifikaten – durch
überwiegend freiwillige Verpflichtung der
Hersteller und Händler – eine Verbesserung
der Produktions- und vor allem Arbeitsplatzsituation bringen wird. Die teils unmenschlichen Umstände, unter denen in den meisten Ländern produziert würde, könne nicht
akzeptiert und dürfe nicht geduldet werden.
Wenn man durchsetzen könnte, dass die Arbeiterinnen vor Ort statt 5 Cent die Stunde 15
oder 20 Cent erhalten, dann würde der Anzug
oder die Jeans bei uns nicht einen Euro mehr
kosten, denn die verbesserte Situation für die
Mitarbeiter vor Ort habe auch andere wirtschaftliche Vorteile für den Produzenten – das
konnte in Studien nachgewiesen werden.
Textilunternehmer Christian Dierig stimmte
den Ausführungen des Bundesministers Dr.
Müller im Grunde zu, bestand aber zusätzlich
darauf, klar zwischen der vielgescholtenen
Textilindustrie und dem Bekleidungshandel
zu unterscheiden. Der entscheidende Preis- voll, es habe auch andere Vorteile, solange
druck komme überwiegend aus den Han- es sich nicht nur um sogenannte „eingedelsunternehmen. Hier, und vor allem beim deutschte“ Ware handle. Das bedeute, dass
Verbraucher liege die Macht, Veränderungen ein z.B. in Asien produziertes Teil durch einen
herbeizuführen. Sämtliche Unterlagen habe er zusätzlichen Produktionsschritt in Deutschdurchgesehen und festgestellt, dass es bereits land (färben, bedrucken) zu einem „deutfür jeden Bereich ein Siegel gebe. Jedes Sie- schen“ Produkt würde. Und selbst wenn z.B.
gel oder Zertifikat sei aber nur so gut wie das ein Kleidungsstück in Asien ohne Verwendung von Pestiziden und Giftstoffen hergeSchwert, das es verteidige.
Günther Veit hatte einiges zu berichten von stellt würde, so müsse es doch für den Export
seinen regelmäßigen Geschäftsreisen in die nach Deutschland, um den EinfuhrbestimProduktionsländer Osteuropas, Asiens und mungen zu entsprechen, zum Schutz vor dem
Einschleppen von Schädlingen mit Gift begast
Afrikas.
Die katastrophalen Arbeitsumstände in Bang- werden. „Standards sind geduldig.“
ladesch, die durch das fürchterliche Unglück Auch könne es nicht angehen, dass für die
im April des letzten Jahres sehr viel Aufmerk- Produktion einer Jeans mehr als 10.000 Liter
samkeit erhielt, war mancherorts der Anstoß, Wasser verbraucht würden – noch dazu in LänVerbesserungen zu fordern und unverant- dern, die unter akutem Wassermangel litten.
wortlichen Produzenten Aufträge zu entzie- Auch mit dem Publikum entstand ein rehen. Die Selbstverpflichtung großer Marken, ger Austausch z.B. darüber, ob das bisherige
auf Standards zu achten, hätte mit den Jah- Siegel „Öko 100“ zu einem umfassenderen
ren zu einigen unübersehbaren Verbesse- Zertifikat „Öko 1000“ erweitert werden solle
rungen geführt – auch wenn manche dieser (Dr. Müller schlug einen „Grünen Knopf“ vor);
Standards, wie z.B. Toiletten nach westlicher dieses bescheinige Ökologie und Fairness bei
Vorgabe, nicht den Lebensgewohnheiten Produktion, Arbeitsbedingungen und Handel.
der betroffenen Arbeiter entsprächen. Seine Die sehr informative und lebendige DiskusEmpfehlung für verunsicherte Verbraucher sion brachte für alle Anwesenden neue Erlautet: „Kaufen Sie nicht die billigste oder die kenntnisse und wird,