ASO! Augsburg Süd-Ost ASO! Augsburg Süd-Ost Mai 2016 | Page 14

Da wo die Stühle wachsen – oder: ein neuer Weg In aller Kürze: Schon bald wachsen im Osten Augsburgs, im Wittelsbacher Land, ganze Möbelstücke auf einer Plantage! Das klingt natürlich erst einmal komisch. Immerhin wächst ja das Holz für jedes Möbelstück irgendwann einmal auf einer Plantage. Das stimmt. Aber es gibt einen Unterschied: diese Möbelstücke werden in ihrer endgültigen Form, vom ersten Tag an, aus einer einzigen Pflanze gezogen. Was passiert denn – vereinfacht dargestellt – bei der konventionellen Möbelherstellung, bis wir als Kunden einen Stuhl oder einen Tisch, in den eigenen vier Wänden stehen haben? Zunächst müssen Bäume gepflanzt werden. Da manche Baumarten schneller wachsen als andere, werden vor allem schnell wachsende Gehölze wie Fichten gepflanzt. Dadurch verändert sich die natürliche Zusammensetzung unserer Wälder dramatisch und der Artenreichtum sinkt immer weiter. Die Zeit bis zur „Ernte“ kann aber trotzdem schon mal bis zu 50 Jahre dauern, damit ein Baum einen ausreichenden Durchmesser zur Verarbeitung erreicht hat. Nach dem Fällen wird der Baum, mit Hilfe von Maschinen, aus dem Wald abtransportiert und gelagert, bis das Holz trocken ist. Anschließend zerlegt man den Stamm, mit Hilfe von weiteren Geräten, in Stücke oder Bretter und verarbeitet ihn weiter. Auch dafür werden wieder Geräte eingesetzt und Kleber, Schrauben sowie menschliche Arbeitszeit, bis am Ende ein Möbelstück daraus geworden ist. Aber hier endet der Weg des Möbels noch nicht. Bis jemand das Stück aussucht und kauft, müssen die einzelnen Produkte erst einmal in den Einzelhandel und schließlich in ein Geschäft in die Nähe des Kunden gelangen, wieder durch den Einsatz von Fahrzeugen. All dies kostet Energie und Zeit – auf Kosten unserer Umwelt. Was kann man also anders machen? Eine Antwort lieferte eine uralte Technik, die bis heute nicht nur von den Bewohnern des nordöstlichen indischen Bundesstaates Meghalaya in beeindruckender Weise angewendet wird, um die berühmten „lebenden Brücken“ zu bauen. Auch hier bei uns, in vielen Gärten, ist diese Kunst in Form von Obstspalieren zu finden: das Len- ken, Erziehen und Veredeln von Bäumen. Die Idee ist so simpel wie genial: warum sollte man Pflanzen nicht einfach gleich in der Form des gewünschten Möbelstückes wachsen lassen? Damit würde man nicht nur Zeit und Geld einsparen, sondern auch eine Menge Arbeitsschritte mit Maschinen, die wiederum Energie benötigen. Genau mit dieser Idee startete im englischen Derbyshire der Brite Gavin Munro vor über 10 Jahren die ersten Versuche – damals noch im Garten seiner Schwiegermutter. Selbstverständlich ist nichts so leicht, wie es sich in der Theorie anhört, und so wurde und wird immer noch viel an der Technik verbessert. Mittlerweile ist aus einem Traum eine eigenständige Firma geworden: Full Grown Ltd. Aus dem Garten wurde ein ganzes Feld mit unterschiedlichsten Möbelstücken, Baumarten und – ganz besonders – viel ursprünglicher Natur! Denn die Devise des Unternehmens lautet: „so viel Maschinen und Eingriff in die Natur wie nötig, aber so wenig wie möglich!“ Daher wird bis heute jeder Arbeitsschritt per Hand ausgeführt. Keine großen Maschinen