Hochzoll: Aus LKW-Plane wird Designer-Tasche
ASO! Juli 2016
Hochzoll: Aus LKW-Plane wird Designer-Tasche
Upcycling ist seit einiger Zeit im Kommen. Dabei werden Abfallprodukte oder vermeintlich nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt.
Durch den Schwund der natürlichen Ressourcen gewinnt Upcycling an Bedeutung. Es findet in ärmeren Gesellschaften häufiger statt, weil hier Ideenreichtum zum Überleben gefragt ist. In unserer „ Wegwerfgesellschaft“ gewinnt es heutzutage vor allem aus ästhetischen Gründen, wegen der Individualität der entstehenden Produkte und durch das zunehmende nachhaltige Denken an Bedeutung. Zum Nutzen für Unternehmen, die die Reste nicht mehr wegwerfen müssen, für Endverbraucher, die dadurch neue, schicke Produkte erhalten und zum Nutzen für „ Upcycler“ und Handwerker wie die Designerin Ilona Lorson. Sie näht vorwiegend aus Reststücken von neuen LKW-Planen, die sonst im Müll landen würden, Taschen aller Art. Bereits während ihres Design-Studiums mit Schwerpunkt Textil und Mode an der Fachhochschule in Trier hat ihre Dekanin sie für das Verwenden an sich wertloser Materialien, wie z. B. Spitzerresten, sensibilisiert. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Grafikdesignerin. Vor 15 Jahren fing sie an, mit LKW-Planen zu experimentieren. „ Ich sah zufällig in einem Abfallcontainer bunte Planenreste, das hat mich inspiriert“, so Lorson. Im Frühjahr dieses Jahres hat sie sich mit ihrer Idee selbständig gemacht. Für die Umsetzung ihrer Entwürfe verwendet sie auch gebrauchte und wiederaufbereitete Luftmatratzen, Markisen, Zeltplanen, Banner, Fahrrad- und Gartenschläuche, Plastiktüten und Autogurte. „ Alte Stoff- Luftmatratzen aus den 70er Jahren mit Muster sind schwer zu kriegen. Wer so etwas hat und entsorgen will, kann es mir gerne vorbeibringen.“ Freunde fragen immer schon, bevor sie etwas wegwerfen, ob sie es noch brauchen kann. Alle Materialien stammen aus der näheren Umgebung und werden natürlich gereinigt, bevor sie verarbeitet werden. Das Design entspringt aus Elementen der grafischen Gestaltung, ihrem Modeverständnis und freien grafischen Ideen. „ Wichtig dabei ist mir die Alltagstauglichkeit meiner Produkte im Auge zu behalten. Alles soll im täglichen Leben benutzt werden, funktionieren und uns gleichzeitig unseren Alltag verschönern. Meine Taschen und Accessoires sind auf das Wesentliche reduziert, „ weniger ist mehr.“ Die Hochzollerin und Mutter einer zehnjährigen Tochter erhält ihre Ideen auch aus ihrem eigenen Alltag. So hat sie zum Beispiel eine kleine Einkaufswagenchip- Tasche in die große Handtasche genäht, damit der Chip immer griffbereit ist. Praktisch für unterwegs ist auch eine Tasche mit Sitzkissen zum Rausnehmen. Oder weil sie sich immer über nasse Badesachen in der Tasche geärgert hat, hat sie eine Badetasche mit Extra-Tasche für alles Nasse entwickelt. Lorson macht bei ihren Taschen alles selber: Von der Idee und
In ihrem Atelier in Hochzoll-Nord setzt die Designerin Ilona Lorson ihre Ideen in Taschen aller Art um.
Foto: A. Lütke-Wissing
dem Entwurf über das Besorgen des Materials, die Entwicklung des Schnitts, den Zuschnitt mit dem Cutter, das Nähen und durch Sticken oder andere Techniken Veredeln bis zum Verkauf. Ihre Taschen sind alle „ handmade in Augsburg“. Wenn wirklich mal eine Naht aufgehen sollte, dann wird diese repariert. In ihrem Atelier in Hochzoll überlegt die Existenzgründerin demnächst auch Workshops anzubieten, in denen man seine ganz individuelle Tasche nähen kann. Wer aus dem umfangreichen Bestand von Lorson nicht das passende Stück findet oder ganz besondere Wünsche bei Farbe, Form, Größe oder Motiv hat, für den fertigt sie auch ganz individuell an. Für eine Tasche benötigt sie je nach Größe, Detailreichtum und zusätzlichen Funktionen wie Schlüsselanhänger, Handytasche etc. mehrere Stunden. „ Der Reiz für mich an meiner Arbeit ist es vor allem, in vielfältigen Techniken zu arbeiten und dabei Neues zu entdecken. Meine Produkte werden bestickt, benäht, bedruckt. In Linien und Flächen. Ich liebe Streifen und
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Das Material unterscheidet sich von Stoff in vielerlei Hinsicht: man braucht eine stärkere Nähmaschine, Kuli statt Kreide und man cuttet mit dem Messer statt zu schneiden.
Fotos: Lorsondesign
Punkte. Streng geplant und dennoch Ungeplantes zulassend.“ Wofür man ihre Taschen alles brauchen kann, sieht man in Lorsons Haus: in großen Bodentaschen sammelt sie ihr Altglas und bringt es darin gleich zum Container. Draußen stehen stabile Gartentaschen mit Brennholz oder Taschen mit Löchern im Boden, aus denen Lilien wachsen. Ihre Devise: „ Du kannst aus allem, was man sieht, etwas machen.“ Wer mehr über diese nachhaltigen Produkte erfahren will, findet die Designerin auf verschiedenen Märkten wie im November auf dem Textilmarkt im Tim oder auf facebook unter Lorsondesign.
A. Lütke-Wissing