Art en Suisse 1/2015 Mar/Apr/May | Page 74

Im Rampenlicht Johnny Keggler Übersetzung – Nina Rabler Slater ch traf unseren ersten ‚Spotlight’ Künstler in ihrem Studio in der Nähe der Roten Fabrik in Wollishofen. Umgeben von Ihren jüngsten Werken, die unserer Unterhaltung zu lauschen schienen, sass Valentyna Protsak entspannt und freundlich lächelnd mir gegenüber und begann ihre Geschichte zu erzählen. Valentyna wurde in Kiew geboren und fing bereits mit vier Jahren an zu malen. Sie besuchte spezielle Kunstkurse, nahm im Alter von sieben Jahren Unterricht an einer Künstlerschule und ging schliesslich mit 12 Jahren auf das Kunstgymnasium in Kiew. „Wir studierten und malten Natur, Menschen und Modelle. Während dieser Zeit konzentrierten wir uns auch auf plastische Anatomie, d. h. wir zeichneten die menschliche Muskulatur und untersuchten Position und Bewegungsablauf. Durch das Studium der Anatomie erlernt man die menschliche Form realistischer darzustellen“, erklärt Valentyna. „Ich studierte an einem speziellen Gymnasium in Kiew – einer zentralen Kunstschule für die gesamte Ukraine. Wir malten jeden Tag 5 Stunden lang und hatten anschliessend noch eine normale Schulstunde, wie z. B. Mathematik – jeden Tag der gleiche Ablauf: 5 Stunden Malerei, gefolgt von einer Unterrichtsstunde. Malen, malen, malen – jeden Tag! Die anderen Kunstschwerpunkte waren Bildhauerei, Architektur und Dekoration. Die Schule war voll von talentierten Studenten, aber ich war als angehende Künstlerin selbstbewusst genug, um zu wissen, dass ich dort hingehörte.“ Im Alter von 16 Jahren zog Valentyna mit ihren Eltern in die Schweiz und besuchte im folgenden Jahr die Berufsschule für Gestaltung in Zürich. „Meine allererste Ausstellung war eine Gruppenausstellung in der Galerie Art Seefeld in Tiefen- I 74 „Als Kind sah ich mal jemandem zu, der nur Tiger malte. Ich versuchte es auch, fand allerdings, dass mir das Thema nicht gefiel. Ich hatte stattdessen damals eine Vorliebe für Vögel und Bäume, und viele meiner Bilder aus der Zeit sind Darstellungen ArtSuisse en ArtSuisse en ‚Im Rampenlicht’ ist eine Rubrik, die spezielle Künstler in drei Ausgaben vorstellt. Die erste Ausgabe stellt den Künstler vor, die zweite befasst sich mit den Besonderheiten ihrer oder seiner Kunst und die dritte beschäftigt sich mit den Zukunftsvisionen und – plänen des Künstlers. 75 Im Rampenlicht Valentyna Protsak brunnen. Ich habe einige meiner älteren Gemälde ausgestellt, die ich in der Schule gemalt hatte. Ich habe eine Anzahl davon verkauft, habe allerdings noch einige meiner Bilder aus der Zeit behalten.“ Im Laufe unserer Unterhaltung zeigt mir Valentyna einige ihrer Arbeiten, die zum Teil bis zu ihrem sechsten Lebensjahr zurückreichen. Während wir die Entwicklung ihres Stils und Talents studieren, bemerke ich, dass Bäume und Vögel, speziell in ihren frühen Werken, eine besondere Rolle spielen. „Ich glaube, dass man als Kind unbefangener malt“, sagt sie, „weil man nicht über Stilrichtungen nachdenkt oder vorgefasste Ideen hat – Kinder malen einfach was sie sehen.“ von Vögeln, Bäumen und Herbstimpressionen, obwohl ich eigentlich kein Fan dieser Jahreszeit bin. Ich liebe den Sommer!“ „Heute male ich Menschen mit modischem Stil in städtischer Umgebung“, erklärt sie weiter. „Meine Malerei war früher realistischer, aber den Stil, den man heute sieht, habe ich vor vier oder fünf Jahren entwickelt, nachdem ich erkannt hatte, was ich wirklich machen will. Ich wusste, dass es definitiv den Schwerpunkt Mode haben musste. Ich wollte keinen normalen Stil, und absolut nichts ‚Perfektes’. Der Wunsch, Mode bildlich darzustellen war wie eine brennende Leidenschaft, aus der über die Jahre zahlreiche Bilder dieser Art entstanden sind. Mittlerweile habe ich einen unverkennbaren Stil entwickelt.“ Unverkennbar und sehr gefragt sind Valentynas Kunstwerke tatsächlich. Sie haben ein einzigartiges Flair, das zum Nachdenken anregt und im Betrachter unterbewusst ein Gefühl der Wiedererkennung auslöst. Auch wenn dem Betrachter Darstellung und Stil vorher unbekannt waren, scheinen unterbewusst tiefliegende Erinnerungen wach zu werden. Und wenn dies noch nicht surreal genug ist: Valentynas Technik wandelt sich ständig – nicht nur im Sinne einer Verbesserung, sondern es scheint, als wäre sie in jeder