Armaturen Welt September 2023 September 2023 | Page 38

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Risikomanagement für Unternehmer gesetzlich vorgeschrieben

„ Offen mit Krisen umgehen “

Die gegenwärtige Situation ist für Unternehmen vor allem durch Unsicherheit geprägt . Energiepreise , Lieferketten , Personalmangel , Digitalisierung , Umstellung auf klimaneutrale Produktion – es gibt derzeit reichlich Gründe für ein solides Risikomanagement . Worauf es dabei ankommt , erläutert Utz Brömmekamp , Geschäftsführer der Unternehmensberatung Plenovia , im Interview mit Armaturen Welt .
Was ist beim Risikomanagement grundsätzlich am wichtigsten ? Utz Brömmekamp : Dass es tatsächlich gemacht wird ! Das deutsche Recht schreibt aktives Risikomanagement bereits seit vielen Jahren vor , aber bislang etwas versteckt im Aktiengesetz . Nunmehr findet sich dieses Thema an prominenter Stelle in § 1 des zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes ( StaRUG ). Danach haben alle Geschäftsleiter juristischer Personen , also vor allem Geschäftsführer von GmbHs und Vorstände von AGs , fortlaufend über existenzgefährdende Risiken des Unternehmens zu wachen und bei Eintritt einer Krise geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen sowie die Gremien zu unterrichten . Verstöße dagegen begründen persönliche Haftungsrisiken gegenüber der Gesellschaft , d . h . im Falle einer Insolvenz gegenüber dem Insolvenzverwalter . Deshalb sind Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement ernst zu nehmen , was in der Praxis zu selten erfolgt .
Wie lässt sich ein erfolgreiches Risikomanagement im Unternehmen etablieren ? Utz Brömmekamp : Dafür gibt es anerkannte Methoden , Modelle und Blaupausen , sicherlich abhängig von Unternehmensgröße und Komplexität . Eine kleine GmbH mit überschaubarer Produktpalette und Mitarbeiterzahl
muss natürlich nicht denselben Aufwand betreiben wie ein börsennotierter Konzern . Grundsätzlich muss ein Risikomanagementprozess einmal aufgesetzt und fortan „ gelebt “, d . h . laufend bewertet und aktualisiert werden . Das klingt nach mehr , als es sein muss . Orientiert an Unternehmensgegenstand und Unternehmenszielen sind potentielle und tatsächliche Risiken zunächst zu identifizieren und zu erfassen , sodann zu bewerten und zu aggregieren ( gewichten ). Erst dies ermöglicht eine laufende Risikosteuerung . Wichtig ist auch die Dokumentation des Prozesses und der Abläufe . Denn sollte ein Geschäftsleiter einmal ins Fadenkreuz möglicher Haftung geraten , hilft es ihm ungemein , wenn er darlegen kann , dass sich das Risikomanagement nicht nur in seinem Kopf befindet . Das StaRUG gibt dem Justizministerium auf , Informationen über die Verfügbarkeit der von öffentlichen Stellen bereitgestellten Instrumentarien zur Krisenfrüherkennung unter seiner Internetadresse www . bmjv . bund . de bereitzustellen . Dort werden sich künftig weitere Bausteine und Anlernhilfen finden .
Wann sollten die Alarmglocken schrillen ? Utz Brömmekamp : Ein funktionierendes Risikomanagementsystem ist dafür da , die Realisierung von Risiken und damit den Eintritt einer existenzgefährdenden Krise rechtzeitig zu erkennen . Welche Risiken letztlich existenzgefährdend sind , richtet sich
nach der Schwerpunktsetzung und Relevanzeinschätzung der definierten Risiken . Bei einem Risiko , das mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten kann und im Falle des Eintritts einen großen wirtschaftlichen Schaden verursacht , müssen die Alarmglocken lauthals läuten . Hingegen können sie bei niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit und vergleichsweise geringem Schaden eventuell auch stumm bleiben . Dazwischen liegt die Wahrheit . Letztlich haben alle Risiken im Rahmen ihrer Einordnung und Bewertung ein Preisschild zu bekommen . Die entscheidende Frage ist dann , ob das betreffende Risiko im Falle seiner Realisierung wirtschaftlich verkraftbar ist . Dies wiederum macht eine laufende Liquiditätsplanung , nach neuer Rechtslage tunlich über einen Zeitraum von jedenfalls 12 Monaten , nahezu unverzichtbar .
Wann lässt sich eine Krise noch abwenden ? Utz Brömmekamp : Dies hängt sehr vom Einzelfall ab . Die allermeisten existenzgefährdenden Krisen sind Liquiditätskrisen . Solche sind natürlich grundsätzlich durch Generierung neuer Mittel , sei es durch Eigen- oder Fremdkapital , wieder zu beseitigen . Liegt allerdings bereits Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung vor , sind die Spielräume wegen der in Deutschland bestehenden Insolvenzantragspflicht nur noch sehr eng . Allerdings ist in diesem Fall zu erwägen , ob die Krisenbewältigung nicht auch oder eben so gut im
Utz Brömmekamp Foto : Plenovia
Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgen kann . Der deutsche Gesetzgeber stellt hierzu das Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung ( ESUG ) zur Verfügung .
Welche Schritte sollten im Krisenfall als erste unternommen werden ? Utz Brömmekamp : Auch dies ist stark einzelfallabhängig . Als erstes bedarf es der Erstellung eines Finanzstatus , um festzustellen , wieviel Wasser sich noch unter dem Kiel befindet und ob gegebenenfalls schon eine Antragspflicht besteht . Danach muss ein Konzept erarbeitet werden , wie und mit welchen Maßnahmen die Krise bewältigt werden kann . Der dritte Schritt ist dann die strikte und stringente Umsetzung des Sanierungsplans . In der Praxis hat es sich übrigens bewährt , offen mit Krisen umzugehen . Abtauchen macht verdächtig und zerstört Vertrauen . Kommunikation mit seinen Stakeholdern schafft hingegen in aller Regel Vertrauen und ebnet den Weg zu gemeinsamen Sanierungsschritten . Dass mit Offenbarung einer Krise alle Kunden , Lieferanten und Finanzierer wegliefen , ist eine bei Unternehmern weitverbreitete Meinung , die der täglichen Sanierungspraxis keineswegs entspricht .
38 ARMATUREN WELT | AUSGABE 5 | SEPTEMBER 2023