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Ulrich Brasche,
Professor für Ökonomie
mit Schwerpunkt
Europäische Integration,
Fachhochschule
Brandenburg
Geld und Macht teilen
Sowohl ökonomisch als auch politisch
ist die bisherige Idee eines vereinten
Europas heute in Frage gestellt. Frieden und Wohlstand als Versprechungen der Integration und der Verweis
auf universelle Grundwerte allein sind
nicht mehr zugkräftig. Der Transfer
von Macht auf die „Zentrale“ stößt
Inge Bucerius, Leserin
Nenn´s Glück! Herz!
Liebe! Gott!
Unterwegs in Deutschland komme
ich sprachlich heute aus Franken,
nach dem Autokennzeichen aus
München, in Dresden komme ich
aus Bayern, unterwegs in der Welt
aus Deutschland. Mein in Sendling
aufgewachsener türkischer Bekannter bezeichnet sich als bayrischen
Türken. Sehen sich Kinder von Eltern aus verschiedenen europäischen
Ländern selbst als Europäer? Oder
eher als zu dem Land gehörig, in dem
sie zufällig leben, unabhängig von
der Herkunft ihrer Eltern? Hätten
sich vielleicht die Menschen, die in
ihrem Nachruf „Große Europäer“ genannt werden, weil sie am „Europäischen Haus“ mitgebaut haben, selbst
als Europäer bezeichnet? Wer außer
den international verhandelnden
Politikern hätte Grund, sich wem gegenüber als Europäer darzustellen?
Der Tourist auf der Route 66, wenn
er sein Nachtquartier bucht? Oder
ein Soldat im Einsatz in Afrika?
Wichtiger als die Antwort auf diese
Fragen ist es, dass beim FC Wacker
auf den Widerstand der meisten EUBürger. Zudem stellt die Erwartung an
Solidarität durch Transferleistung, die
durch die Finanzkrise eine neue Größenordnung erhalten hat, die Einheit
Europas auf die Probe.
Umfragen zufolge sehen sich die Bürger zuerst als Mitglieder ihres näheren
Bezugsrahmens, danach als Bürger
ihres Landes und erst zuletzt als EUBürger. In einer heterogenen Welt
kann Komplexität belastend sein. Homogenität einer „Wir-Gruppe“ entlastet. Das Teilen von Macht und Geld
funktioniert leichter, wenn Vertrauen
gegenüber den legitimen Herrschenden und ein Gefühl der Verbundenheit
Sendling über 50 Nationen gemeinsam Fußball spielen, dass sich in
Münchner Mütterzentren Mütter
und Kinder aus über 80 verschiedenen Ländern zu gemeinsamen Aktionen treffen, dass in Münchner Kliniken Arbeitsteams mit Kollegen aus
der ganzen Welt zusammenarbeiten
oder Studenten in internationalen
Seminaren gemeinsam forschen.
Knut Reimer, Leser
WIR, die Deutschen?
WIR können nur dann Europäer
werden, wenn WIR als Europäer einen Weltmeistertitel erreichen, so
wie WIR uns mit Deutschland identifiziert haben beim Gewinn der WM.
Das wird aber nicht passieren, weil
es keine „europäische Nation“ geben
wird. Also hilft nur noch eine große
KRISE, die uns Europäer eint und
voran bringt. Aber wollen wir das
wirklich? Das wirkliche Leben spielt
sich doch entscheidend im Kleinen
und Privaten ab. Das Glück findet
sich im persönlichen Miteinander
und nicht in einem wirtschaftspolitischen Projekt namens EUROPA.
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vorhanden ist. Weder Geografie noch
Geschichte, Religion oder Ethnie taugen als Abgrenzungskriterien. Das hat
die Diskussion über die Kompatibilität
des Islam mit Europa wieder gezeigt.
Die zunehmende Entfremdung zwischen pro-europäischen politischen
Eliten und ihren Mitbürgern wird die
Akzeptanz der europäischen Integration weiter erodieren. Wie viel „Einheit
in der Vielfalt“ ein Europa von morgen
ausmacht, wird ständig neu verhandelt. Dieser Diskurs muss besonders
die nächsten Generationen einbeziehen, die „ihr Europa“ gestalten wollen.
Sie werden darin leben.
Elisabeth Hamel,
Sprachwissenschaftlerin
und Autorin
Genetisch trennt
uns wenig
Der moderne Mensch besiedelte Europa vor 40.000 Jahren von Osten
nach Westen. Dort lebten die ersten
Europäer in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler und durchschweiften weite Areale.
Ein Ereignis sollte die Europäer und
auch andere Menschengruppen, die
aus Afrika ausgewandert waren, entscheidend prägen: die Eiszeit vor
20.000 bis 13.000 Jahren. Vor allem
in der kalten Jahreszeit war ein Überleben nur in wärmeren Zonen möglich.
Für die Europäer galt: Wer nicht rechtzeitig Südfrankreich, Spanien, Italien
oder die Schwarzmeerküste erreichte,
erfror oder verhungerte. Die Bevölkerung wurde dezimiert. Die Genetiker
sprechen vom Flaschenhalseffekt. Südfrankreich war das maßgebliche Rückzugsgebiet. Dort trafen die genetischen
Linien zusammen und vermischten
Frank Westphal, Leser
Region plus Europa
Die Menschen brauchen eine Story,
eine richtig gute Geschichte. Dabei
muss es gelingen, die regionalen
und kulturellen Besonderheiten zu
bewahren, sodass auf die Frage nach
der Herkunft die Antwort z.B. lauten könnte: Spreewald oder Europa.
Ulrike Haase, Leserin
Wenn der erste Flieger vom BER
startet ...
sich. Aus Sprachengemisch wurde
eine gemeinsame Sprache, vermutlich
eine Urform des heutigen Baskisch,
wie Theo Vennemann, Sprachwissenschaftler an der Universität München,
vermutet. Von dort ging bei Erwärmung der Erde die Wiederbesiedelung
Mittel- und Nordeuropas aus. In ihrer
gemeinsamen Sprache benannten die
nach Norden und Osten ausschwärmenden Europäer die neu gewonnenen, von Gletschern und Tauwasser
geformten Landschaften.
Wir Europäer sind zu 70 Prozent
Nachfahren dieser Urbasken und insofern genetisch sehr homogen. Uns
Heutigen bleibt die Aufgabe, unsere
europäische Identität auch kulturell
und politisch zur Geltung zu bringen.
Bernd Föhrweiser, Leser
Alles in einen Topf
Wenn das letzte schwimmende Fischerdorf in Vietnams Halong Bay
zwangsumgesiedelt wurde und Bratwurst mit Tzatziki von den Touri