+3 Magazin September 2022 | Page 22

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WIR FRAGEN :

WIE BEUGT MAN VOLKSKRANKHEITEN VOR ?

Rund zwei Milliarden Menschen – mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung – bewegen sich zu wenig .
Quelle : aerzteblatt . de
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Sofia Melnik , Heilpraktikerin und Holistik Health Coach
Selbst ist der Mensch
Wer gesund leben will , muss die Sache ganzheitlich , nachhaltig und trotzdem individuell betrachten . Am Anfang stehen dementsprechend Awareness , Eigenverantwortung und die Bereitschaft zur Interozeption – also zum Hineinhorchen , zur Wahrnehmung eigener Körperempfindungen . Zumeist nämlich meldet sich der Körper schon lange vor dem eigentlichen Ausbruch einer Krankheit . Die Frage lautet daher : Wie kann ich ihn dabei unterstützen , mit den äußeren Anforderungen besser zurechtzukommen – und zwar vor dem Hintergrund , dass sich die Bedingungen kontinuierlich
verschlechtert haben . Allein in den letzten 20 Jahren hat der Nährstoffgehalt in den Lebensmitteln um 40 Prozent abgenommen , weshalb auch Supplements zunehmend wichtig sind . Schadstoffe , Schwermetalle und Toxine hingegen haben sich vervielfacht . Man muss sich also fragen : Was gebe ich in meinen Organismus ? Zwar gibt es nicht die eine Antwort darauf , aber das Stichwort „ Clean Eating “ geht bereits in die richtige Richtung : Iss nichts , was deine Großmutter nicht als Lebensmittel erkennen würde . Allein zu 80 Prozent nach dieser Regel zu leben , wäre schon ein großer Schritt , um Stress zu reduzieren und eine höhere Resilienz zu erlangen . Auch Depressionen , die größte aller Volkskrankheiten , hängen unmittelbar mit der Besiedlung unseres Darms zusammen . Deshalb wünsche ich mir , dass schon in der Schule mehr Basiswissen über Ernährung vermittelt wird – um frühzeitig die Weichen zu stellen .
Ulrich Weigeldt , Bundesvorsitzender Deutscher Hausärzteverband
Gestiegenes Vertrauen
Gute Versorgung ist mehr als das Behandeln von Krankheiten . Als Hausärztinnen und Hausärzte werden wir nicht erst aktiv , wenn die Erkrankung bereits da ist , sondern im besten Falle schon deutlich früher . Wir begleiten die Patientinnen und Patienten nicht selten ein Leben lang . Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es , Krankheiten zu vermeiden beziehungsweise Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und anzugehen . Dafür ist es häufig unerlässlich , die Familiengeschichte zu kennen , denn nicht selten sind erbliche Vorbelastungen wesentliche Hinweise ,
um mögliche Risiken vernünftig einschätzen zu können . Ein so umfassendes Bild des Patienten kann man nicht erlangen , wenn man sich alle paar Jahre kurz einmal sieht . Hierfür braucht es ein Vertrauensverhältnis , das über Jahre wachsen muss . Gleichzeitig muss ich als Hausarzt jeden Fall individuell betrachten . Pauschale Ratschläge , im Sinne von „ Hören Sie mit dem Rauchen auf “ bringen nichts , wenn sie nicht richtig kommuniziert werden . Ein einfaches Beispiel : Einem Patienten , der gerade einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss , brauche ich nichts von Raucherentwöhnung zu erzählen . Und eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern hat keine Zeit , dreimal in der Woche zum Sport zu gehen . Das klingt vielleicht banal , in einem Gesundheitswesen , in dem die Menschen viel zu häufig über einen Kamm geschert werden , ist es aber leider nicht selbstverständlich .