+3 Magazin September 2022 | Page 16

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WIR FRAGEN :

WIE VERBESSERN WIR BILDUNG ?

„ Anstaunen ist auch eine Kunst . Es gehört etwas dazu , Großes als groß zu begreifen .“
aus „ Der Stechlin “ von Theodor Fontane
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Maike Finnern , Vorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW )
Ausgleich schaffen
Das Bildungswesen in Deutschland ist seit Jahren unterfinanziert . Die Folgen spüren die Menschen von der Kita , über die Schulen und Hochschulen bis in die Fort- und Weiterbildung . Es wird immer schwieriger , eine hohe Qualität der Angebote sicherzustellen . Trotz des hohen Engagements der Pädagoginnen und Pädagogen . Sie bezahlen gute Qualität oft mit ihrer Gesundheit . Dazu kommt : Gelder , die der Bund für die Schulen gibt , kommen nicht da an , wo sie am dringendsten benötigt werden : in benachteiligten Stadtvierteln und Regionen , bei armen Familien . Der Grund : Die
Mittel werden nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt . Dieser funktioniert jedoch nach dem Matthäus-Prinzip : Wer hat , dem wird gegeben . Deshalb hat die GEW einen neuen Verteilungsschlüssel entwickelt , der stark soziale Kriterien berücksichtigt . Er folgt der Leitlinie : Ungleiches muss ungleich behandelt werden . Denn Bildungserfolg und Lebenschancen der Menschen dürfen nicht von der Postleitzahl abhängen . Zudem muss die Politik den dramatischen Fachkräftemangel endlich ernsthaft bekämpfen . Die Mangelsituation wird derzeit auf dem Rücken der Lehrkräfte und Erziehenden ausgetragen . Das ist unverantwortlich und wird nicht lange gutgehen . Zudem besteht die Gefahr , dass gesellschaftlich zentrale Projekte wie der Ausbau des Ganztags , die Inklusion oder die Digitalisierung vor die Wand gefahren werden , weil es für eine qualitativ hochwertige Umsetzung viel zu wenige Fachkräfte gibt .
Karin Prien , Präsidentin Kultusministerkonferenz
Mitten im Wandel
Corona hat die Verletzbarkeit unserer Schulen offengelegt . Wir haben erlebt , dass Wissensrückstände vergrößert und viele Familien aus ihrem Gleichgewicht gekommen sind . Darum treten wir so vehement für das Offenhalten der Schulen ein . Corona hat Lehrkräfte und Schulleitungen vor große Herausforderungen gestellt . Wir haben aber auch erlebt , wie großartig viele Schulen die belastende Situation gemeistert haben . Und wir haben einen spürbaren Schub an Digitalisierung in den Bildungseinrichtungen beobachtet . Nun geht es darum , diesen Schwung mitzunehmen , um Bildungsprozesse
im Sinne der Lernenden zu transformieren . Das bedeutet , die Schulen mit Infrastruktur und Geräten auszurüsten , vor allem aber in Lehr-Lern-Prozesse für eine Kultur der Digitalität zu investieren . Zum Kompetenzerwerb in den einzelnen Fächern tritt übergreifend der Erwerb digitaler Kompetenzen hinzu . Für eine Schule der Zukunft geht es aber um noch viel mehr . Schule ist neben der Familie der Ort für eine gelingende Persönlichkeitsbildung . Guter Unterricht zeichnet sich durch Methodenvielfalt , eine Mischung aus Wissensvermittlung und eigenem Erarbeiten aus . Um unsere Kinder bestens auf die Zukunft vorzubereiten , sollten wir die Autonomie der Schulen stärken und die Ganzheitlichkeit der Bildung in den Blick nehmen . Eine Ganzheitlichkeit , die Kreativität , Neugier und Offenheit fördert . Und die geprägt ist vom Vertrauen , dass Kinder ihren Weg gehen , wenn sie begeistert sind .