+3 Magazin September 2022 | Page 13

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KURS HALTEN FÜR DIE ENERGIEWENDE

© Maik Kern
Dank ihrer groß angelegten Ausbauoffensive Erneuerbare Energien gelten die Stadtwerke München ( SWM ) inzwischen als Vorbild und treibende Kraft der Energiewende : Nachdem 90 Prozent des städtischen Strombedarfs heute schon durch Ökostrom gedeckt sind , ist das für 2025 angepeilte 100-Prozent-Ziel in greifbarer Nähe . Auch beim Thema Fernwärme ist bis spätestens 2040 Klimaneutralität angepeilt . Ein Gespräch mit Dr . Florian Bieberbach , Vorsitzender der SWM Geschäftsführung , über die erreichten Meilensteine , den Fachkräftemangel und wünschenswerte Impulse vonseiten der Politik .
Die SWM gelten als Schrittmacher der Energiewende . Wie zufrieden sind Sie mit dem Erreichten ? Insgesamt bin ich schon sehr zufrieden , da wir ziemlich genau im Plan liegen , was unsere Ziele betrifft . 90 Prozent Ökostrom aus eigenen Anlagen – da haben wir schon viel erreicht . Auch bei der Geothermie ist viel passiert . 100 Prozent zufrieden bin ich natürlich nicht , denn gerade die aktuelle Situation macht deutlich , wie abhängig wir immer noch sind von fossilen Energieträgern – und wie stark uns die Krise der fossilen Energie momentan beutelt .
Mussten Sie aufgrund der Krise vermehrt nachsteuern ? Strategisch passen wir nichts an , denn unsere Strategie , auf Erneuerbare zu setzen , ist durch die Krise bestätigt worden . Insofern ist der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin auf Kurs , auch wenn die politische Diskussion darum , die Krise der fossilen Energieträger von den Erneuerbaren bezahlen zu lassen und Gewinne abzuschöpfen , derzeit für Verunsicherung sorgt . Dazu gab es durchaus auch Bremseffekte : Ursprünglich hatten wir vor , dieses Jahr komplett aus der Kohle auszusteigen . Das mussten wir natürlich verschieben , hoffentlich aber nur um wenige Jahre .
Im Wärmebereich ist der Weg zum Ziel noch etwas länger : Was ist nötig , um auch da den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen ? Wir brauchen mehr politischen Rückenwind für den klimaneutralen Umbau der Fernwärme . Das Thema wird immer noch eher stiefmütterlich behandelt . Die Politik hat sich bei der Wärmewende lange um das Thema Sanierung gekümmert – mit bislang überschaubaren Erfolgen . Da muss mehr passieren . Dann hat die Politik die Wärmepumpen entdeckt , was auch ein wichtiger Beitrag ist .
Nach wie vor zu wenig betrachtet wird aber der Umbau der Fernwärmenetze , der für alle großen Ballungsräume zentral ist . Da wäre mehr politische Unterstützung hilfreich . Ein großer erster Schritt ist , dass die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze endlich von der EU-Kommission genehmigt wurde .
Inwiefern bedroht der Fachkräftemangel den Erfolg der Wärmewende ? Neben Materialmangel wegen Lieferkettenproblemen ist der Fachkräftemangel die aktuell größte Bremse für die Wärmewende . Vieles , was eigentlich möglich wäre , kann nicht realisiert werden , weil man keine Mitarbeiter und Fachfirmen findet . Das beginnt bei Sanierungen und dem Einbau von Wärmepumpen und setzt sich fort über Photovoltaik bis hin zum Anlagenbau . Wir reagieren darauf , indem wir unsere betriebliche Ausbildung für die relevanten Berufe massiv ausbauen . Im Grunde brauchen wir jedoch deutschlandweit eine große Ausbildungsoffensive Klimaneutralität .
Der kürzlich vorgelegte Stresstest zeigt , dass vor allem der Süden im kommenden Winter vor großen Herausforderungen steht . Ihre Antwort darauf ? Nach wie vor ist Energiesparen die erste Priorität . Der Verbrauch muss runter , die Effizienz verbessert werden . Das ist das Wichtigste , was kurzfristig möglich ist . Dazu müssen Stromerzeugungskapazitäten wirklich voll ausgeschöpft und die Gasimporte weiter stabilisiert werden . Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen ist es entscheidend , mittelfristig auch in Süddeutschland die Erneuerbaren stark auszubauen . Wir brauchen mehr Windenergie , mehr Geothermie und andere Technologien , um möglichst unabhängig zu werden von den fossilen Energieträgern .
SWM Geothermie-Anlage München / Freiham
© Robert Sageder
Mit Geothermie auch im Winter klimaneutral Wärme zu erzeugen – das funktioniert in München schon sehr gut und ist ein wichtiger Teil Ihrer Strategie . Wo könnte das noch funktionieren ? Studien liefern kontinuierlich neue Erkenntnisse , dass die Möglichkeiten von Geothermie in Deutschland größer sind als bisher angenommen . Gerade die Ballungsräume – Berlin , Hamburg , das Ruhrgebiet – haben ein erhebliches geothermisches Potenzial . Da ist also sehr viel möglich , und ich glaube , dass der Bundespolitik langsam bewusst wird , wie groß dieses Potenzial ist .
Was muss passieren , um diese Potenziale möglichst bald nutzen zu können ? Wahnsinnig viel muss passieren . Das größte Problem sind die jahrelangen Genehmigungsverfahren für Geothermie : Der Schätzwert liegt aktuell bei acht Jahren . Mit dieser Geschwindigkeit können wir natürlich die Klimaziele Deutschlands nicht rechtzeitig erreichen . Neben der Förderung des klimaneutralen Umbaus von Wärmenetzen wäre auch eine Absicherung von Fündigkeitsrisiken wünschenswert , schließlich kann es passieren , dass man bohrt und einfach nichts oder zu wenig findet . Der Bundesverband Geothermie hat daher den Vorschlag eingebracht , dass der Staat das finanzielle Risiko mitträgt .
Ein weiterer Vorschlag ist ein Geothermie-Erschließungsgesetz . Wie sollte das aussehen ? Ganz ähnlich wie beim Wind-an-Land-Gesetz : Es müsste viele Aspekte zu Planungs- und Genehmigungsverfahren bündeln und auch Beschleunigungen für Genehmigungsverfahren klar festschreiben . Es würde extrem helfen , den Grundsatz festzuschreiben , dass Geothermie im überragenden öffentlichen Interesse liegt – und man könnte auch Flächen ausweisen , die für Geothermie geeignet sind .
Welche Impulse wünschen Sie sich noch von der Politik ? Es ist wichtig , dass die Politik Kurs hält – und festhält an dem mittelfristigen Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung . Dass sie langfristig wirkende Instrumente definiert , die man einmal aufsetzt , und die dann wirklich auch bis zum Erreichen des Ziels durchgängig angewendet werden . In der aktuellen Krise neigt die Politik zu Aktionismus und zum Zurücknehmen von Zielen . Auch die Diskussionen um eine Zufallsgewinnsteuer und einen Strompreisdeckel sorgen für große Verunsicherung . Die Politik muss bald Klarheit bieten , sonst könnte die ganze Kette zum Ausbau der Erneuerbaren gestört und ausgebremst werden .
Mehr Informationen unter : swm . de