+3 Magazin September 2022 | Page 12

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WIR FRAGEN :

WAS MACHT GUTEN SERVICE AUS ?

Beim Pro-Kopf-Konsum von Wein belegt der Vatikan den ersten Platz . Quelle : weinlaube . de © iStock ./ aluxum
Sabine Hübner , Unternehmerin und Managementberaterin
Verschobener Fokus
Wir sehen die Welt nie so , wie sie ist , sondern durch selektive Fenster . Und die verschieben sich permanent . Die Metapher der Shifting Windows macht drei Umbrüche im Service sichtbar : 1 ) Ethos wird wichtiger als Lifestyle . Laut GfK beläuft sich die Markenloyalität nur noch auf 40 Prozent . Der Shift geht nicht nur zu anderen Marken , sondern insgesamt weg von der Markenliebe . Dagegen hilft größer denken , weg vom Produkt , hin zu den großen Fragen – allem voran : Nachhaltigkeit . Recycling und Reparatur verlängern die Wertschöpfungskette in Bereiche , die bisher brach
lagen . 2 ) Das Vertrauen in die Plattformökonomie sinkt . Bestellplattformen shiften Gewohnheiten : weg vom Besuch im Restaurant oder Supermarkt , hin zu Lieferservices . Doch vieles läuft nicht rund : Bestellungen kommen zu spät oder gar nicht an , Kundendaten sind unsicher . Wer fliegende Einkaufswagen verspricht , kann sich Bruchlandungen nicht leisten . Hier muss Service regionaler , fairer , sicherer werden . 3 ) Was analog nicht funktioniert , kann digital nicht begeistern . Dass der erste „ Touchpoint “ oft digital ist statt persönlich – das ist Normalität . Doch was bringt der digitale Zwilling der Kundenreise , wenn schon der analoge ins Leere lief ? Und wenn die Service-Haltung noch nie kundenorientiert war , was bringt dann ein digitales Mindset ? Wer langfristig erfolgreich sein will , braucht beides : eine exzellente digitale Service Performance und einen empathischen Kundenfokus .
Jeder will ihn
Kemal Üres , Gastronom , Social-Media-Influencer und Sachbuchautor
Ich bin seit 25 Jahren Gastronom und habe das Glück , mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen zu arbeiten und auf meiner Mission als Gastroflüsterer kennenzulernen . Alle ticken unterschiedlich , aber eines haben sie gemeinsam : Sie wünschen sich klare Strukturen auf der einen und ein inspirierendes Warum auf der anderen Seite . Dann können sie ihre volle Stärke entfalten . Mein Team liebt , was es tut . Jede und jeder Mitarbeitende ist den persönlichen Stärken entsprechend eingesetzt und ein wertgeschätzter Part unserer Unternehmensfamilie . Dadurch machen sie
ihre Arbeit mit Leichtigkeit und Begeisterung , und das fühlt der Gast . Wenn ich selbst als Gast unterwegs bin , achte ich auf die Kleinigkeiten . Sie zeigen , ob das System stimmig ist , die Mitarbeitenden gefördert und gefordert werden und ob sie ihre Rolle als Gastgeberin und Gastgeber mit Stolz und Professionalität ausfüllen . Es sind solche Details : Ein guter Service holt dich bereits an der Tür ab und begleitet an den Tisch , fragt nach einem Getränkewunsch . Wenige Momente später kommt die Karte , für Wünsche brauchst du nur den Blick zu heben . Du fühlst dich einfach rundum gut aufgehoben . Servicewüste ? Finde ich einen grauenvollen Begriff . Wenn man als Gast Stress und Missachtung spürt , dann ist das für alle Beteiligten unangenehm und ein klares Zeichen , dass sich der oder die Mitarbeitende nicht wohl fühlt , falsch eingesetzt ist , keine Strukturen existieren und der Rückhalt fehlt .