Meike Spitzner , Senior Researcher Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik , Wuppertal Institut für Klima , Umwelt , Energie
Blinde Flecken
Denken wir die neuen Mobilitätspolitiken mal von der gegenderten Ökonomie aus : Unbezahlte Hausarbeit ist bis heute gesellschaftlich weder ökonomisch noch sozial nachhaltig organisiert . Als diene sie Eigennutz . Jetzt soll die unbezahlte haushaltliche Transportarbeit , die Nahestehende mit Mobilität versorgen muss , wo die Bedingungen für autonome Mobilität nicht gegeben sind , noch teurer werden – als wäre sie schon bezahlt und gesellschaftlich verzichtbar . Dabei kostet sie Frauen bereits heute viel Kraft , Zeit und Verzicht auf eigenständige Einkommen . Gerade althergebrachte E-Mobilitätsangebote dienen der Versorgungsökonomie , von kleinen bis zu großen Mobilitätssystemen . Aber was tut sich heute ? Selbst wenn man die Erwartungen auf politische Priorisierung und flächendeckenden ÖPNV-Ausbau beiseitelässt und für einen Moment die ideologische Gleichsetzung von E-Mobilität mit E- Auto-Mobilität hinnimmt , so gut wie nichts . Versorgungsökonomisch relevant wären zum Beispiel Senioren- Kleinfahrzeuge . Es gibt aber bis heute keine leicht transportierbaren Batterien und keine gebrauchsfähigen
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und an niedrige Renten angepasste E-Angebote . Hausarbeit steht kein Dienstwagen und keine dreifache steuerliche Subventionierung zu Verfügung , durch die jedes Jahr mehr Autos zulasten von Umwelt und öffentlichem Raum ins Land gespült werden . Ob die geringe Innovationsfähigkeit wohl also mit Orientierung an veralteten Maskulinitätsmodellen zusammenhängt ?
Zeit , dass sich was bewegt
Anne Klein-Hitpaß , Leiterin Forschungsbereich Mobilität , Deutsches Institut für Urbanistik ( Difu )
Die Mobilitätswende ist noch lange nicht in unseren Köpfen angekommen . Und das kann sie auch nicht , solange wir in der Autologik der vergangenen Jahrzehnte verharren . Nicht nur die Infrastruktur unserer Städte ist autogerecht , auch der straßenverkehrsrechtliche Rahmen inklusive Bußgeldkatalog ist es , der es den Städten und Gemeinden erschwert , konsequent umzusteuern . Im geltenden Straßenverkehrsrecht genießt das Auto Privilegien , wenn
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Gerd Riedner , Leser
Vorrang für Rad- und Fußverkehr
Zuvorderst sollte versucht werden , den Bedarf an Mobilität zu reduzieren – durch die räumliche Nähe von Wohnen , Arbeiten , Bildung und Erholung . Der Individualverkehr mit dem Pkw kann innerorts nicht nur durch ein gutes ÖPNV-Angebot reduziert werden . Auch Maßnahmen wie die Verdrängung von „ Laternen-Parkern “ auf Privatgelände oder öffentliche , gut ans ÖPNV-Netz angeschlossene Sammelparkplätze sowie am Grundstücksmarktpreis orientierte Parkgebühren einschließlich der entsprechenden Verwarnungsgelder mindern das Fahren
es beispielsweise heißt , dass der „ fließende Verkehr “ nur bei einer besonderen Gefahrenlage eingeschränkt werden darf . Das Auto ist die Norm und das Normale – mit der Folge , dass die Förderung von Alternativen zum Auto oft als ideologisch abgetan wird , ohne dabei wahrzunehmen , dass auch diese Autozentriertheit einer Ideologie folgt . Aber besonders in den Kommunen und in der Zivilgesellschaft bewegt sich etwas . So haben sich unlängst mehrere Städte in Deutschland zu einem Bündnis
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mit dem Auto . Die vielfältigen Versuche zur Reduzierung des Lieferverkehrs müssen intensiviert und beschleunigt werden , damit sie nach einer Entscheidung zügig realisiert werden können . Um den verbleibenden Individualverkehr möglichst umweltfreundlich zu gestalten , ist eine weitgreifende Förderung des Fuß- und Radverkehrs – einschließlich Lastenrädern – notwendig . Die entsprechenden Verkehrsflächen müssen dabei ausreichend breit und barrierefrei sein . Fußverkehr sollte gegenüber dem Fahrverkehr weitgehender Vorrang eingeräumt werden . Mit Arkaden , Sitzbänken , Pflanzen , Brunnen , genügend Fahrrad-Abstellflächen und weiterem mehr kann es gelingen , dass öffentliche Flächen verstärkt zum Aufenthalt einladen und so die Mobilität deutlich entschleunigt wird .
zusammengeschlossen , um Tempo 30 als stadtverträgliche Geschwindigkeit zu fordern . Ganz einfach , um lebendige und lebenswerte öffentliche Räume zu schaffen . Immer mehr Städte schließen sich der Initiative an . Und in einer wachsenden Zahl an Kommunen erwirken aktive Bürgerinnen und Bürger Radentscheide , drücken aufs Tempo und fordern sichere Radwege und ein Verkehrssystem für alle . Das macht Mut , dass sich langsam etwas in den Köpfen bewegt .
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