+3 Magazin September 2021 | Page 7

+ 1
7
Manfred Hampel , Bauteilentwickler und Präsident Institut für Nachhaltigkeit
Nachhaltige Pendler
Horrende Baupreise , astronomische Mieten und unerträglicher Berufsverkehr : das sind die Randerscheinungen einer Arbeitswelt , wie sie sich in den Ballungsgebieten zu fast unlösbaren Problemen auftürmen . Eine Wohnung in der Nähe der Arbeitsstelle ist dort nur mit höheren
Elke Sanders , Leserin
Digital vereint
Niemand stellt gerne Anträge . Weder in der Stadt , noch auf dem Land . Dies als verbindendes Element zu sehen , ist schlicht zu profan . Und dennoch , alle Menschen , landauf , landab , haben das irgendwann vor der Brust . Und dann geht ’ s los . Geht man zum Amt ? Die Zeit kann man sinnvoller nutzen . Findet man den Antrag im Internet ? Suchmaschinen halten auch nicht immer , was ihr Name verspricht . Aber was ist mit den smarten Online-Dienstleistungen , die Kommunen nun mehr und mehr anbieten ? Nutzerfreundlich sollen sie sein . Das wäre mal was . Kein Mensch meldet ja sein Auto an , weil Anmelden so viel Spaß macht . Nein , man tut es , weil man fahren will , und ohne Anmeldung darf man nicht . So geht es im Grunde mit allen Anträgen . Man muss , bevor man darf . Also tut man ’ s . Wird die Sache schöner durch Digitalisierung ? Sie ist jedenfalls kein Papiertiger und kommt mit hohem Anspruch daher . Mantel und Schuhe können künftig zur Antragstellung im Schrank bleiben , denn es soll , so munkelt man , nicht mehr lange dau-
Einkommen möglich . Eine Wohnung auf dem Land zwingt einen auf eine tägliche Karawane , immer genau zur selben Zeit in den gleichen Nadelöhren . Wie schön wäre es , in der Stadt eine Wohnung und auf dem Land ein Haus im Grünen zu haben . Die meisten werden diesen Gedanken schnell verwerfen , aber genau dort setzt ein neuer Gedanke an , der mit Hilfe der Sonne ermöglicht wird : energieautarkes modulares Wohnen . Mikroapartments in mit Solarpanels verkleideten Häusern ermöglichen auch auf den teuren Stadt- und Stadtrandgrundstücken eine bezahlbare Wohnung . Die Wohnfläche ist reduziert , wächst
ern , bis der Bauantrag vom Sofa ausgestellt werden kann . Und zwar mit dem Smartphone . Oder Elterngeld beantragt , ein Gewerbe angemeldet , eine Liegenschaftskarte angefordert oder was auch immer man gerade braucht . Stadt und Land lassen die Zukunft zur Gegenwart werden . Mit Hyperspeed . Verwaltungstechnisch gesehen .
Christoph Verenkotte , Präsident Bundesverwaltungsamt ( BVA )
Lohnende Investition
Verwaltung findet überall statt , in den Städten wie auf dem Land . Früher war es für Beschäftigte sicher oft attraktiver , in der Stadt zu arbeiten und auf dem Land zu leben . Aber die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist unumkehrbar und wenn es mit dem Netzausbau auch schneller vorangeht , werden wir tatsächlich von überall aus arbeiten können .
aber durch multifunktionale Möbel wieder künstlich . Eine Photovoltaik- Anlage erzeugt den notwendigen Strom , überschüssige Wärme wird in Pufferspeichern gespeichert . Das hält die Kosten niedrig . E-Cars im Sharing sorgen für flexible Mobilität . Das Wohnen in der Stadt reduziert sich nur auf die Arbeitstage . Homeoffice und Freizeit verbringt man im Solarhaus-Modul im Umland der Stadt und genießt dort die höhere Lebensqualität . Ein Leben in Stadt und Land ist also möglich und nicht teurer als etwa eine Münchener Neubauwohnung – und das bei geringeren Unterhaltskosten und CO 2 -Emissionen .
Bei uns im Bundesverwaltungsamt ist Homeoffice bei vielen Aufgaben bereits problemlos möglich . So entfallen Anfahrtswege zum Arbeitsplatz , der Verkehr zwischen Stadt und Land wird entlastet und die Work-Life-Balance gestärkt . Mehr Beschäftigte aus ländlichen Regionen erleichtern auch die Personalgewinnung , denn in den Metropolen ist die Konkurrenz schon heute auf Arbeitgeberseite stark . Es bleibt aber noch viel zu tun . Hauptaufgabe wird es sein , die Verwaltungsprozesse überall digital neu zu gestalten . Wir brauchen : E-Akte , E-Rechnung , elektronische Signaturen und den digitalen Transfer von Bescheiden , beleglose Einreichung von Anfragen und Anträgen und vieles mehr . Vor allem brauchen wir es schneller als bisher und flächendeckend . Dann spielt die Frage nach Stadt oder Land keine Rolle mehr . Was fehlt , ist nicht ein Kulturwandel , der oft politisch angemahnt wird . Die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung wollen die Digitalisierung und sie wollen sie mitgestalten . Die Politik muss jetzt strategisch investieren : Das Zusammenwachsen von Stadt und Land kostet Geld , aber es lohnt sich .
Markus Epha , Leser
Zwei Sphären einer Welt
Das zentrale Element der Verbindung von Stadt und Land ist der öffentliche Nahverkehr . Seit der Wiedervereinigung wurden vielerorts Regionalbahnen eingestellt oder die Frequenz minimiert , was der Abwanderung aus ländlichen Gebieten Vorschub leistete . Dies betrifft nicht nur das stadtnahe Umland , sondern auch das weiter entfernte Land , wo die Bewohner häufig auf Zweitjobs und das Pendeln zwischen Wohnort und Arbeit angewiesen sind . Ein wichtiger Aspekt , um das Land jenseits des Wochenendausflugs attraktiv zu halten , ist die ausreichende Versorgung mit Ärzten , Lehrern , kulturellen Einrichtungen und kleinen Läden für den täglichen Bedarf . Es gilt , Anreize zu schaffen für Arbeitssuchende in den genannten Berufen . Die Verzahnung von Stadt und Land kann nur gelingen , wenn ihre verschiedenen Qualitäten erhalten bleiben und nicht versucht wird , beide Lebenssphären einander gleichzumachen . Austausch setzt Verschiedenheit voraus , auf Augenhöhe . Digitale Nomaden , die abgeschottet in entlegenen Gegenden ihrem Beruf nachgehen , sind so wenig die Lösung wie polternde Heranwachsende , die sich am Wochenende lautstark in der Stadt austoben . Wichtig wäre es , beide Sphären füreinander zu sensibilisieren . Vielleicht hilft es , daran zu erinnern , dass viele Städte aus ehemaligen Dörfern hervorgegangen sind und das Land mit seiner Ruhe und Verlangsamung die Gesundheit der Städter fördert .
Michael Marsand , Leser
Die simple Verbindung ist die Straße , die aus der Stadt aufs Land führt . Viele Städter , die der Verkehr plagt , ziehen in die Ruhe aufs Land und tragen alsdann selbst zum Verkehrschaos in der Stadt bei .
„ In Städten schlummern tonnenweise Rohstoffschätze . Mit systematischem Urban Mining gehen sie nach Abriss nicht verloren , sondern können in neuen Bauwerken eingesetzt werden .“
Was muss passieren , damit das in größerem Stil funktionieren kann ? Wo fängt man an ? Zunächst ist die Analyse der Bestandsbauten wichtig . Wir brauchen möglichst viele Daten über vorhandene Materialien , die wir im nächsten Schritt direkt in die Neubauplanung einbeziehen können . Wichtige Faktoren sind hier etwa Trennbarkeit , Rezyklierbarkeit und nicht zuletzt der Schadstoffgehalt der vorhandenen „ Rohstoffe “. Inzwischen gibt es erste Datenbanken und Materialausweise für Gebäude , die zunehmend auch eine Auswirkung auf die Bewertung von Immobilien haben . Stichwort : Gebäude als Materialbanken .
Dr . Matthias Heinrich , Experte für Circular Economy und Projektmanager EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer
An dem Punkt setzt auch das Designprinzip Cradle to Cradle an – bei dem sogar ein positiver Fußabdruck das Ziel ist . Wie kann das funktionieren ? In diesem Ansatz , der übersetzt „ von der Wiege zur Wiege “ bedeutet , geht es um die sichere , potenziell unendliche Zirkulation von Materialien und Nährstoffen . Es geht um größere Kreislaufsysteme , in denen das Konzept Abfall gar nicht mehr vorkommt , sondern ausschließlich nutzbare Nährstoffe . Konkret würden dafür Bauprojekte vor allem auf Modulbasis entstehen : Bauteile , die einfach trennbar und deren Rohstoffe problemlos wiederverwertbar sind . Das
Gebäude ist gewissermaßen von Anfang an als Rohstoffdepot mit sortenrein rezyklierbaren Modulen konzipiert . Aus der einfachen „ Mine “ beim Urban Mining wird so ein geplanter Lagerplatz , eine temporäre Station in der Circular Economy , die sich übrigens auch auf andere Bereiche wie Textilien , Verpackungen , Automobil und Co . übertragen lässt .
Bleiben wir bei den Gebäuden : Wie also könnte sie aussehen , die ideale Stadt der Zukunft ? Sie ist vor allem in größeren Zusammenhängen und in Kreisläufen geplant : Sie vereint unterschiedlichste Nutzungsarten , ist angetrieben von erneuerbaren Energien , hat ein durchgängiges Mobilitätskonzept und ist stellenweise verdichtet , um anderswo Fläche zu sparen . Die Gebäude selbst sind so designt , dass die verbauten Materialien wiederverwendet werden können . Eine oftmals bemühte Metapher lautet : Häuser wie Bäume – und Städte wie Wälder . Überhaupt zeigt uns ja die Natur , wie reibungslos solche Rohstoffkreisläufe funktionieren können , an denen wir arbeiten .
Mehr Infos unter : dreso . com