+3 Magazin September 2019 | Page 4
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WIE IST DER PLANET
NOCH ZU RETTEN?
WIR FRAGEN:
... und was ist
Ihre Meinung?
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25 Prozent aller Eisbären haben Plastik im Magen.
Quelle: North Slope Borough Department of Wildlife Management
© iStock./TheCrimsonMonkey
Uwe Schneidewind,
Präsident Wuppertal
Institut für Klima,
Umwelt, Energie
Engagement wirkt
Die Menschheit steckt in einem Di-
lemma: Nie war sie technologisch
und ökonomisch so stark. Eine öko-
logisch und sozial faire Weltgemein-
schaft ist greifbar. Gleichzeitig wird
täglich deutlich, wie zerbrechlich die-
se Aussichten sind: wiedererstarken-
de Nationalismen, erodierende De-
mokratien, wachsende militärische
Konflikte bei einem immer schneller
kollabierenden Ökosystem. Was muss
das Handeln in Deutschland in einer
solchen Situation leiten? Zum einen
ein differenziertes Verständnis gesell-
schaftlicher Veränderungsprozesse.
Umfassende gesellschaftliche Ver-
änderungen verlaufen nicht linear.
Sie bauen sich oft über lange Zeit auf
und kommen dann plötzlich zu einem
Durchbruch. Beim Fall der Mauer
oder beim deutschen Atomausstieg
im Jahr 2011 haben wir das in der
jüngeren deutschen Geschichte erle-
ben dürfen. Die Fridays-for-Future-
Bewegung führt uns aktuell vor, wie
schnell sich politische Prioritäten
verändern können, wenn Themen
lange vorbereitet waren. Daher gilt:
Auch in vermeintlich ausweglosen
Lagen lohnt es, weiterzukämpfen.
Manchmal ist der Durchbruch näher
als man denkt. Ein zweiter Aspekt ist
die Bedeutung von Mustern. Gesell-
schaftliche Veränderung läuft über
das Prägen von Mustern, die andere
motivieren und mitreißen. Darum
sind inspirierende Experimente und
Vorreiterbeispiele in Politik, Wirt-
schaft und Gesellschaft so wichtig.
Dies sollte Kompass für alle Enga-
gierten in Zivilgesellschaft und Poli-
tik in Deutschland sein.
Nikita Zimov,
Klimaforscher
und Direktor
Pleistocene Park
(Sibirien)
Klimahelfer auf
vier Hufen
Die sibirischen Permafrostböden sind
eines der größten CO 2 - und Methan-
Reservoire der Erde – und eine ti-
ckende Zeitbombe. Sollten die dort
eingeschlossenen Treibhausgase in
die Atmosphäre entweichen, wird das
den Klimawandel massiv verstärken.
Schon heute sind sie in manchen Ge-
genden ein Grad wärmer als vor zehn
Jahren – und die Entwicklung be-
schleunigt sich. Das Problem: Hat die
Schmelze erst einmal begonnen, folgt
eine Kettenreaktion, die nicht mehr
aufzuhalten sein wird. Doch dank
ambitionierter Naturschutzprojekte
wie dem Pleistocene Park gibt es noch
Hoffnung. Wir haben uns zum Ziel
gesetzt, in der sibirischen Tundra wie-
der die großen Pflanzenfresserherden
anzusiedeln, die in früheren Zeiten
übers Land zogen. Wie das den Klima-
wandel stoppen soll? Erstens durch
schiere Körpermasse: Bisons und
Wildpferde verdichten den Schnee im
Winter so stark, dass er wie eine Iso-
lationsschicht wirkt, die den Boden
kühl hält. Außerdem fungieren die
Tiere quasi als „Hausmeister“, indem
sie das Pflanzenwachstum stabilisie-
ren. Erste Versuchsreihen in der freien
Wildbahn haben gezeigt, dass die Idee
in der Praxis sogar noch besser funk-
tioniert als in der Theorie. Jetzt geht
es „nur“ noch darum, den Maßstab zu
vergrößern. Und dafür benötigen wir
Ihre Hilfe, sei es in Form von Spen-
dengeldern oder öffentlicher Auf-
merksamkeit. Sibirien mag von Euro-
pa aus gesehen weit entfernt wirken,
aber der Klimawandel ist ein Problem,
das uns alle angeht.