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+1 4 WIE IST DER PLANET NOCH ZU RETTEN? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] 25 Prozent aller Eisbären haben Plastik im Magen. Quelle: North Slope Borough Department of Wildlife Management © iStock./TheCrimsonMonkey Uwe Schneidewind, Präsident Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Engagement wirkt Die Menschheit steckt in einem Di- lemma: Nie war sie technologisch und ökonomisch so stark. Eine öko- logisch und sozial faire Weltgemein- schaft ist greifbar. Gleichzeitig wird täglich deutlich, wie zerbrechlich die- se Aussichten sind: wiedererstarken- de Nationalismen, erodierende De- mokratien, wachsende militärische Konflikte bei einem immer schneller kollabierenden Ökosystem. Was muss das Handeln in Deutschland in einer solchen Situation leiten? Zum einen ein differenziertes Verständnis gesell- schaftlicher Veränderungsprozesse. Umfassende gesellschaftliche Ver- änderungen verlaufen nicht linear. Sie bauen sich oft über lange Zeit auf und kommen dann plötzlich zu einem Durchbruch. Beim Fall der Mauer oder beim deutschen Atomausstieg im Jahr 2011 haben wir das in der jüngeren deutschen Geschichte erle- ben dürfen. Die Fridays-for-Future- Bewegung führt uns aktuell vor, wie schnell sich politische Prioritäten verändern können, wenn Themen lange vorbereitet waren. Daher gilt: Auch in vermeintlich ausweglosen Lagen lohnt es, weiterzukämpfen. Manchmal ist der Durchbruch näher als man denkt. Ein zweiter Aspekt ist die Bedeutung von Mustern. Gesell- schaftliche Veränderung läuft über das Prägen von Mustern, die andere motivieren und mitreißen. Darum sind inspirierende Experimente und Vorreiterbeispiele in Politik, Wirt- schaft und Gesellschaft so wichtig. Dies sollte Kompass für alle Enga- gierten in Zivilgesellschaft und Poli- tik in Deutschland sein. Nikita Zimov, Klimaforscher und Direktor Pleistocene Park (Sibirien) Klimahelfer auf vier Hufen Die sibirischen Permafrostböden sind eines der größten CO 2 - und Methan- Reservoire der Erde – und eine ti- ckende Zeitbombe. Sollten die dort eingeschlossenen Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen, wird das den Klimawandel massiv verstärken. Schon heute sind sie in manchen Ge- genden ein Grad wärmer als vor zehn Jahren – und die Entwicklung be- schleunigt sich. Das Problem: Hat die Schmelze erst einmal begonnen, folgt eine Kettenreaktion, die nicht mehr aufzuhalten sein wird. Doch dank ambitionierter Naturschutzprojekte wie dem Pleistocene Park gibt es noch Hoffnung. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in der sibirischen Tundra wie- der die großen Pflanzenfresserherden anzusiedeln, die in früheren Zeiten übers Land zogen. Wie das den Klima- wandel stoppen soll? Erstens durch schiere Körpermasse: Bisons und Wildpferde verdichten den Schnee im Winter so stark, dass er wie eine Iso- lationsschicht wirkt, die den Boden kühl hält. Außerdem fungieren die Tiere quasi als „Hausmeister“, indem sie das Pflanzenwachstum stabilisie- ren. Erste Versuchsreihen in der freien Wildbahn haben gezeigt, dass die Idee in der Praxis sogar noch besser funk- tioniert als in der Theorie. Jetzt geht es „nur“ noch darum, den Maßstab zu vergrößern. Und dafür benötigen wir Ihre Hilfe, sei es in Form von Spen- dengeldern oder öffentlicher Auf- merksamkeit. Sibirien mag von Euro- pa aus gesehen weit entfernt wirken, aber der Klimawandel ist ein Problem, das uns alle angeht.