+3 Magazin September 2019 | Page 18
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WIE DIGITAL IST DAS
KLASSENZIMMER?
WIR FRAGEN:
... und was ist
Ihre Meinung?
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An einer Duisburger Schule lernen Schüler bereits seit Dezember
2018 mithilfe von VR-Brillen in einer „3D-Lernwelt“.
Quelle: WAZ
© iStock./gorodenkoff
Tobias Himmerich,
Business Angel im
Bereich Bildung
Die Zukunft hat schon
begonnen
Wie digital das Klassenzimmer in
zehn oder 20 Jahren aussehen wird,
ist keine einfache Prognose. Ich glau-
be, dass es keine Revolution, sondern
eine Evolution geben wird. Wir als
Business Angel schauen besonders
auf Angebote, die die „alte“ mit der
„neuen“ Lernwelt verknüpfen. Also
auf Tools, Plattformen und Techno-
logien, die es sowohl den Lehrkräften
als auch den Schülerinnen und Schü-
lern ein bisschen einfacher machen,
die Lernziele zu erreichen. Ideen, die
die Schulwelt radikal umbauen wol-
len, vergessen oft, dass der entschei-
dende Faktor in der Schule immer
noch die Lehrerinnen und Lehrer
sind. Gerade für Startups, die oft mit
innovativen Lösungen in die Schule
drängen, ist das ein wichtiger Tipp:
Die Lehrkräfte müssen die Tools ein-
setzen können und wollen. Wenn die
Angebote nicht genutzt werden (kön-
nen), dann kann das Startup auch
nicht überleben. Dabei ist es sicher,
dass es trotz des Digitalpakts Schule
noch Jahre dauern wird, bis wir in
jeder Schule stabiles und schnelles
Internet haben werden. Der allge-
meine Trend jedoch geht ganz klar
in Richtung Individualisierung des
Lernens – mit Hilfe digitaler Tools.
Technologien wie die Künstliche In-
telligenz stecken heute noch in den
Kinderschuhen. Doch dass sie in
der Zukunft die Schule und die Art
des Lernens nachhaltig beeinflussen
werden, ist längst keine Utopie mehr.
Udo Beckmann,
Bundesvorsitzender
Verband Bildung und
Erziehung (VBE)
Mündige Generation
In allen Lebensbereichen nutzen wir
die Annehmlichkeiten der Digitali-
sierung. Ist das digitale Angebot im
Vorteil, wird es eher genutzt als das
analoge. Genau das wünschen wir uns
auch für die Schule. Eine vom VBE
in Auftrag gegebene Umfrage unter
Schulleitungen zeigt jedoch ein ver-
heerendes Bild: Auch 2019 hat nur
jede dritte Schule Zugang zu schnel-
lem Internet und WLAN und min-
destens einen Klassensatz an digitalen
Endgeräten. Das zeigt: Die Fortschrit-
te bei der Ausstattung der Schulen
halten nicht Schritt mit der Entwick-
lung von Gesellschaft und Arbeitswelt.
Während die Digitalisierung im Alltag
Einzug gehalten hat, bleibt sie in der
Schule weiter außen vor. Manche be-
ruhigt das, weil sie darauf beharren,
dass Kinder frühestens mit 14 Jahren
mit Digitalem in Berührung kommen
sollten. Es ist aber realitätsfremd, sie
davon fernhalten zu wollen, wenn ih-
nen Erwachsene den permanenten
Umgang mit Smartphone und Co. vor-
leben. Deshalb ist es besser, Kindern
und Jugendlichen die Mechanismen
der Technologie beizubringen, als da-
rauf zu vertrauen, dass sie selbst ihren
Medienkonsum regeln und die kom-
plexen Prozesse verstehen. Eine Lehr-
kraft wird stets unter pädagogischen
Gesichtspunkten abwägen, wann der
Einsatz digitaler Endgeräte sinnvoll
ist. So liegt denn in der Vermittlung
von Medienkompetenz in der Schule
eine große Chance: den kontrollierten,
informierten und damit mündigen
Umgang mit den Möglichkeiten der
Digitalisierung zu erreichen.