+3 Magazin September 2019 | Page 17

Anzeige ERBLICHE ATTR AMYLOIDOSE „Es lohnt sich, für Aufklärung zu sorgen“ Prof. Dr. med. Wilhelm Schulte-Mattler, Experte für die erblich bedingte ATTR Amyloidose Viele Seltene Erkrankun- gen werden durch Gende- fekte verursacht, die die Art und Weise beeinträchtigen, wie der Körper Eiweiße herstellt. Eine dieser Seltenen Erkrankungen ist die erbliche ATTR Amyloidose. Ein Gespräch über die Erkrankung, neue Therapien und die Herausfor- derungen in der Versorgung mit dem Neurologen Prof. Dr. med. Wilhelm Schulte-Mattler vom Univer- sitätsklinikum Regensburg. behaftet. Zudem gibt es zu wenig Spen- derorgane. Medikamentös kann man die Verformung und damit die Ab- lagerung des Amyloids behindern. Eine neue Klasse von Medika- menten setzt direkt an der Ursa- che an. Sie können verhindern, dass die fehlerhaften Eiweiße überhaupt produziert werden. Wie funktioniert das genau? Um Eiweiße zu bilden, wird eine Kopie des Gens erzeugt, das den Bauplan trägt, und in die „Eiweißfabriken“ der Zellen trans- portiert. Diese kleinen DNA-Kopien nennt man RNA. Und genau diese Moleküle können wir ge- zielt blockieren, zum Beispiel durch die sogenann- te RNA-Interferenz. Das krankmachende Eiweiß wird nicht mehr gebildet und das Fortschreiten der Erkrankung beendet. Dass das funktioniert, zeigen die Studien und unsere Erfahrungen in der Klinik eindrucksvoll. Worum handelt es sich bei der hATTR Amyloidose? Bei der hereditären, also erblichen ATTR Amyloi- dose handelt es sich um eine Stoffwechselerkran- kung, bei der ein bestimmtes Eiweißmolekül feh- lerhaft gebildet wird. Das Gen, das den Bauplan für dieses Eiweiß enthält, ist bei den betroffenen Pati- enten verändert. Das fehlerhafte Eiweiß verformt sich und lagert sich dann als sogenanntes Amyloid im Körpergewebe ab und schädigt es. Hauptsäch- lich betroffen sind die Nerven und das Herz, aber auch andere Organe. Wenn das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt werden kann, heißt das auch, man sollte möglichst früh behandeln, richtig? Ja genau. Bislang dauert die korrekte Diagnosestel- lung in der Regel über ein Jahr, bei manchen Patien- ten mehrere Jahre. Das liegt daran, dass die Sympto- me unspezifisch sind und viele Ärzte die Erkrankung nicht kennen. Wenn es schon eine familiäre Vorge- schichte gibt, geht es schneller. Da reicht dann ein Gentest und man weiß Bescheid. Wie ließe sich die Versorgung und Diagnosestellung bei Seltenen Erkrankungen, speziell bei der hATTR Amyloidose, noch verbessern? Kontinuierliche Investitionen in die Aus- und Weiter- bildung der Ärzte sind eine Möglichkeit zur Verbesse- rung. Ärzte sind auch nur Menschen und können an- gesichts 17.000 Seltener Erkrankungen nicht beliebig viel lernen. Problematisch ist auch, dass gegenwärtig wirtschaftliche Anreize gegen und nicht für die Iden- tifikation von Amyloidose-Patienten wirken. Bei der hATTR Amyloidose haben wir es aber mit einer mitt- lerweile gut behandelbaren Erkrankung zu tun. Es lohnt sich also, gerade hier für Aufklärung zu sorgen. Weitere Informationen finden Betroffene unter: www.hattrbridge.de Hilfestellung und Beratung bietet zudem der Pati- entenverband Familiäre Amyloid Polyneuropathie: www.patientenverband-fap.de Wie viele Menschen sind davon betroffen? Weil es eine Erbkrankheit ist, gibt es regionale Schwerpunkte. In Deutschland rechnen wir grob geschätzt mit etwa 800 Betroffenen. Damit zählt die hATTR Amyloidose zu den sehr seltenen Er- krankungen. Welche Folgen hat die Erkrankung für die Betroffenen? Es sind zunächst die Körperteile betroffen, die am weitesten weg von der Wirbelsäule liegen, also Füße und Hände. Betroffene spüren ein Kribbeln und eine Art Brennschmerz. Gleichzeitig lässt das Schmerzempfinden gegenüber äußeren Einflüssen nach. Diese Nervenstörungen bezeichnen wir als Polyneuropathien. Im weiteren Krankheitsverlauf spielen Lähmungserscheinungen eine zunehmen- de Rolle. Wenn das Herz betroffen ist, entwickelt sich häufig eine Herzschwäche. Unbehandelt ver- schlechtert sich der Gesundheitszustand kontinu- ierlich. Die Patienten verlieren allmählich die Fä- higkeit zu gehen, leiden unter schwerer Atmung, Schwäche und Durchfall. Ohne Behandlung führt die Erkrankung etwa zehn Jahre nach Ausbruch zum Tod. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Der Kniff ist, dass die fehlerhaften Eiweiße fast ausschließlich in der Leber gebildet werden. Eine Lebertransplantation kann daher das Fortschrei- ten der Krankheit stoppen, ist jedoch mit Risiken Roland Straube (69) lebt seit mehr als 14 Jahren mit der hATTR Amyloidose. Als Vorsitzender des Patientenverbandes Familiäre Amyloid Polyneuropathie liegt ihm die Aufklärung über die Erkrankung am Herzen.