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Remo Largo,
Kinderarzt und Autor
Frei entfaltet
Eltern, Schule und Gesellschaft wol-
len die Kinder möglichst fit für die
Wirtschaft machen. Die Eltern ha-
ben existenzielle Ängste und machen
sich große Sorgen um die Zukunft
Regina Scholten, Leserin
Guter Start
ihrer Kinder. Sie wollen, dass es ihre
Kinder einmal genauso gut oder
noch besser haben werden als sie.
Die Schule steht unter einem enor-
men Druck, der sowohl von der Bil-
dungspolitik als auch aus der Leis-
tungsgesellschaft heraus ausgeübt
wird. Die Kinder werden durch die
schulischen Anforderungen über-
fordert und fühlen sich weitgehend
fremdbestimmt – mit gravierenden
negativen Auswirkungen. Ein Drittel
der Schulkinder leiden an psychi-
schen und körperlichen Störungen
wie depressiven Verstimmungen,
Schlafstörungen, Kopf- und Bauch-
schmerzen. Das Burnout-Syndrom,
in der Vergangenheit nur bei Er-
wachsenen diagnostiziert, kommt
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immer häufiger bei Jugendlichen
und neuerdings auch bei Kindern
vor. Die betroffenen Kinder stehen
buchstäblich still. Was wollen die
Kinder? Sie wollen alle ihre Fähig-
keiten entfalten und nicht nur die,
die von der Wirtschaft verlangt wer-
den. Sie wollen ihre Stärken entwi-
ckeln und lernen, ihre Schwächen zu
akzeptieren und damit umzugehen.
Sie wollen selbstbestimmt lernen
und zumeist Erfolg haben. Nur so
werden sie zu kompetenten Erwach-
senen, dereinst über ein gutes Selbst-
wertgefühl und eine gute Selbstwirk-
samkeit verfügen und zu sich selbst
sagen können: „Ich fühle mich gut,
so wie ich bin, ich weiß, dass ich in
dieser Welt bestehen kann.“
GUT ERZOGEN Welche Werte für die Erziehung wichtig sind
Wir haben vier Kinder mit allen Hö-
hen und Tiefen durch Schul- und Aus-
bildungszeit begleitet. All die Jahre
hindurch haben wir dabei viel Wert
auf gemeinsame Mahlzeiten gelegt,
bei denen viel erzählt und diskutiert
wurde. Im Sportverein haben sie ge-
lernt, Teamgeist zu entwickeln. Auch
erwähnen möchte ich die Pfadfin-
dergruppe, in der sie gelernt haben,
Aufgaben zu übernehmen, Verant-
wortung zu tragen und Rücksicht zu
nehmen. Es ist ganz wichtig, dass die
Eltern sich engagieren und die Arbeit
der Lehrer, Trainer und Jugendbe-
treuer mit unterstützen. Wir haben
im Elternhaus den Grundstock gelegt
und die Kinder in die Selbstständig-
keit und Eigenverantwortung entlas-
sen. Doch bei entscheidenden Fragen
sind unser Rat und unsere Meinung
immer noch gefragt.
Magdalena Szykowski, Leserin
Meine Mutter sagte früher zu mir:
„Mach dir um mich keine Sorgen! Ich
habe mich nicht dazu entschlossen
Kinder zu bekommen, damit sie sich
irgendwann einmal um mich küm-
mern. Ich habe euch bekommen, weil
ich mich um euch kümmern wollte.“
14- bis 24-Jährige
Alle Befragten
74%
62%
61%
60%
Ehrlichkeit
Respekt
Verlässlichkeit
Hilfsbereitschaft
59% Höflichkeit
59% Freundlichkeit
59% Selbstständigkeit
64%
63%
61%
58%
57% Selbstständigkeit
55% Teamfähigkeit
Ehrlichkeit
Durchsetzungsvermögen
Freundlichkeit
Selbstvertrauen
59% Selbstvertrauen
58% Benehmen/Anstand
Dimitra Carapali, Leserin
Wettlauf mit Realität
Ich wünsche meinen Kindern ein gelun-
genes Leben, dass sie ihren Platz in der
Gesellschaft finden und ein geselliges,
zufriedenes Dasein genießen können.
Zum einen bin ich davon überzeugt,
dass wir als Eltern Werte vermitteln
sollten – Werte, die der Gesellschaft för-
derlich sind, wie Integrität, Fleiß und
Respekt. Zum anderen glaube ich an
die enorme Kraft des Vorlebens: Wenn
ich mir und anderen gegenüber acht-
sam bin, die Natur achte und auch den
Unwägbarkeiten des Lebens noch etwas
abgewinnen kann, dann bin ich leben-
des Beispiel dafür, dass die vermittel-
ten Werte und Einstellungen förderlich
sind. Älterwerdend frage ich mich, wie
ich es schaffen kann, dass ich „dran
bleibe“ an den Entwicklungen, wie ich
im Hier und Jetzt verbleibe, also nicht
meinen Kindern Universalgültiges vor-
bete, während sich ihre Wirklichkeit in
eine von mir nicht begriffene Richtung
bewegt. Menschen, die ein solches Un-
vermögen und Nichtbegreifen an den
Tag legen, würde ich heute als alt be-
zeichnen. Darum wünsche ich meinen
Kindern Geduld und Liebe, mich immer
wieder in „ihre“ Welt mitzunehmen.
Umfrage unter 1.000 Personen ab 14 Jahren, März-April 2018; Mehrfachnennungen möglich
Quellen: Ipsos, Statista
Petra Träg,
Geschäftsführerin
SOS-Kinderdorf-Stiftung
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