+3 Magazin September 2018 | Page 17

+3 Remo Largo, Kinderarzt und Autor Frei entfaltet Eltern, Schule und Gesellschaft wol- len die Kinder möglichst fit für die Wirtschaft machen. Die Eltern ha- ben existenzielle Ängste und machen sich große Sorgen um die Zukunft Regina Scholten, Leserin Guter Start ihrer Kinder. Sie wollen, dass es ihre Kinder einmal genauso gut oder noch besser haben werden als sie. Die Schule steht unter einem enor- men Druck, der sowohl von der Bil- dungspolitik als auch aus der Leis- tungsgesellschaft heraus ausgeübt wird. Die Kinder werden durch die schulischen Anforderungen über- fordert und fühlen sich weitgehend fremdbestimmt – mit gravierenden negativen Auswirkungen. Ein Drittel der Schulkinder leiden an psychi- schen und körperlichen Störungen wie depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Kopf- und Bauch- schmerzen. Das Burnout-Syndrom, in der Vergangenheit nur bei Er- wachsenen diagnostiziert, kommt 17 immer häufiger bei Jugendlichen und neuerdings auch bei Kindern vor. Die betroffenen Kinder stehen buchstäblich still. Was wollen die Kinder? Sie wollen alle ihre Fähig- keiten entfalten und nicht nur die, die von der Wirtschaft verlangt wer- den. Sie wollen ihre Stärken entwi- ckeln und lernen, ihre Schwächen zu akzeptieren und damit umzugehen. Sie wollen selbstbestimmt lernen und zumeist Erfolg haben. Nur so werden sie zu kompetenten Erwach- senen, dereinst über ein gutes Selbst- wertgefühl und eine gute Selbstwirk- samkeit verfügen und zu sich selbst sagen können: „Ich fühle mich gut, so wie ich bin, ich weiß, dass ich in dieser Welt bestehen kann.“ GUT ERZOGEN Welche Werte für die Erziehung wichtig sind Wir haben vier Kinder mit allen Hö- hen und Tiefen durch Schul- und Aus- bildungszeit begleitet. All die Jahre hindurch haben wir dabei viel Wert auf gemeinsame Mahlzeiten gelegt, bei denen viel erzählt und diskutiert wurde. Im Sportverein haben sie ge- lernt, Teamgeist zu entwickeln. Auch erwähnen möchte ich die Pfadfin- dergruppe, in der sie gelernt haben, Aufgaben zu übernehmen, Verant- wortung zu tragen und Rücksicht zu nehmen. Es ist ganz wichtig, dass die Eltern sich engagieren und die Arbeit der Lehrer, Trainer und Jugendbe- treuer mit unterstützen. Wir haben im Elternhaus den Grundstock gelegt und die Kinder in die Selbstständig- keit und Eigenverantwortung entlas- sen. Doch bei entscheidenden Fragen sind unser Rat und unsere Meinung immer noch gefragt. Magdalena Szykowski, Leserin Meine Mutter sagte früher zu mir: „Mach dir um mich keine Sorgen! Ich habe mich nicht dazu entschlossen Kinder zu bekommen, damit sie sich irgendwann einmal um mich küm- mern. Ich habe euch bekommen, weil ich mich um euch kümmern wollte.“ 14- bis 24-Jährige Alle Befragten 74% 62% 61% 60% Ehrlichkeit Respekt Verlässlichkeit Hilfsbereitschaft 59% Höflichkeit 59% Freundlichkeit 59% Selbstständigkeit 64% 63% 61% 58% 57% Selbstständigkeit 55% Teamfähigkeit Ehrlichkeit Durchsetzungsvermögen Freundlichkeit Selbstvertrauen 59% Selbstvertrauen 58% Benehmen/Anstand Dimitra Carapali, Leserin Wettlauf mit Realität Ich wünsche meinen Kindern ein gelun- genes Leben, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft finden und ein geselliges, zufriedenes Dasein genießen können. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass wir als Eltern Werte vermitteln sollten – Werte, die der Gesellschaft för- derlich sind, wie Integrität, Fleiß und Respekt. Zum anderen glaube ich an die enorme Kraft des Vorlebens: Wenn ich mir und anderen gegenüber acht- sam bin, die Natur achte und auch den Unwägbarkeiten des Lebens noch etwas abgewinnen kann, dann bin ich leben- des Beispiel dafür, dass die vermittel- ten Werte und Einstellungen förderlich sind. Älterwerdend frage ich mich, wie ich es schaffen kann, dass ich „dran bleibe“ an den Entwicklungen, wie ich im Hier und Jetzt verbleibe, also nicht meinen Kindern Universalgültiges vor- bete, während sich ihre Wirklichkeit in eine von mir nicht begriffene Richtung bewegt. Menschen, die ein solches Un- vermögen und Nichtbegreifen an den Tag legen, würde ich heute als alt be- zeichnen. Darum wünsche ich meinen Kindern Geduld und Liebe, mich immer wieder in „ihre“ Welt mitzunehmen. Umfrage unter 1.000 Personen ab 14 Jahren, März-April 2018; Mehrfachnennungen möglich Quellen: Ipsos, Statista Petra Träg, Geschäftsführerin SOS-Kinderdorf-Stiftung K