+3 Magazin September 2015 | Page 12

+2 12 › Stefan Hell, Chemienobelpreisträger Mehr als nur Stereotype Verlässlichkeit in Kombination mit einer gesunden Portion Pragmatismus sind meiner Meinung nach die beiden typisch deutschen Eigenschaften, die unser Land im internationalen Vergleich gut dastehen lassen – zumindest, wenn es um Forschung geht. Na klar, Stereotype sind immer mit Vorsicht zu genießen, aber tatsächlich ist Deutschland im direkten Vergleich mit anderen Ländern Forschern und Entdeckern eher positiv eingestellt. Das zeigt sich nicht nur an der überdurchschnittlich hohen Dichte an Wissenssendungen im Fernsehen, sondern baut auf langer Tradition auf: In den vergangenen 200 Jahren haben deutsche Forscher maßgeblich zu dem Kenntnisstand über die Welt beigetragen, über den wir heute verfügen. Dieser Wissensvorsprung ist es auch, der unser eigentliches Vermögen ist und den wir nach Möglichkeit ausbauen sollten. Unser heutiger Wohlstand ist schließlich kein Glücksfaktor, sondern das Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Entwicklung, die auf ihrem Weg viele Opfer gefordert hat. Wer hier geboren ist, neigt dazu, das alles als selbstverständlich zu empfinden, aber das ist es nicht: Ich wurde als Mitglied einer deutschen Minderheit in Rumänien geboren und hatte als Banater Schwabe alles andere als eine rosige Zukunftsperspektive. Meinen Eltern ist es zu verdanken, dass ich hier aufwachsen durfte – und meinen Erfahrungen in der Kindheit, dass ich jeden Tag zu schätzen weiß, welche Möglichkeiten mir hier geboten werden. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Michael Ruck, Geschäftsführer, Fritz Ruck Ophthalmologische Systeme GmbH Neue Tugenden Typisch deutsch? Die üblichen Verdächtigen: Angela Merkel, Jogi Löw, Helene Fischer – natürlich. Also Beharrlichkeit, Fleiß, Pünktlichkeit und Präzision – klar. Aber in Zeiten wie diesen wird eine weitere „typisch deutsche“ Errungenschaft immer wichtiger: Leben und leben lassen in einer Konsenskultur. Um es gleich zu sagen: Nein, ich bin kein Gewerkschafter. Und sicher auch kein Sozialromantiker. Ich bin Unternehmer, wir entwickeln und vertreiben Systeme für die Augenchirurgie – und sind stolz auf „Made in Germany“. Die Spatzen pfeifen es von allen Unternehmensdächern: Überall ist Wettbewerb, je globalisierter, desto mehr. Da zählen auch die Preise. Und damit die eigene Kostenstruktur. Da beginnt manch einer, Druck auszuüben: auf Mitarbeiter, Lieferanten, Partner, auf den eigenen Service. Denn was die nicht kosten, muss im Markt nicht erlöst werden. Robert Bosch sah das anders: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle.“ Und: „Ich verdanke meinen Erfolg weniger meinen Kenntnissen als meinem Charakter.“ Recht hatte er. Denn das Wirtschaftswunder kam mit sozialer Marktwirtschaft und Mitbestimmung, mit selbstbewussten, kaufkräftigen, weil gut bezahlten Arbeitnehmern und Konsumenten. Auch „typisch deutsche“ Qualitäten. Und damit nicht Erfolgshindernisse, sondern Erfolgsgeheimnisse. Deutscher wirD es nicht mehr: Der Durchschnittsbürger im Querschnitt … ist 45 Jahre alt und verheiratet, hat 1,4 Kinder und lebt in einer 92 qm großen Stadtwohnung zur Miete … steht um 6:30 Uhr auf und trinkt Kaffee, natürlich mit Milch und Zucker … ist Lehrer, Beamter oder Selbstständiger, fährt mit dem Auto zur Arbeit und braucht dafür 20 Minuten … kommt um 18 Uhr nach Hause und sieht dann noch 3:42 Stunden fern, während er 0,27 Liter Bier und 2,76 Zigaretten raucht (entspricht 100 Litern Bier und 1008 Zigaretten im Jahr) DeutschlanDs Durchschnittsbürger … … gibt 75 Prozent seines Verdienstes für Konsum aus: zum Beispiel für 55 Kilo Kartoffeln und 52 Kilo Schweinefleisch Quelle: Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 2014 … hat einen 8-Stunden-Vertrag, arbeitet in der Regel aber 9 Stunden und verdient damit 45.500 Euro brutto jährlich … macht um Punkt 12:30 Uhr Mittagspause