+3 Magazin September 2013 | Page 8

8 Was kostet ein Kind? PLUS DREI SEPTEMBER 2013 39 Prozent der berufstätigen Frauen verzichten zugunsten eines Kindes auf ihre Karriere. Quelle: Statista © André Simonow Viel Zuwendung, Zeit, Energie Als unser erstes Kind geboren wurde, war ich 48 Jahre alt. Dass ich so spät geheiratet habe, hing mit meiner 25jährigen Tätigkeit als katholischer Priester und Theologieprofessor zusammen. Mit der Eheschließung wurde ich suspendiert und verlor damit die Lehrerlaubnis. Seitdem bin ich Hausmann mit inzwischen acht Kindern. Meine Frau und ich wollten viele Kinder, haben uns aber jedes Mal Beitrag zur Arbeit im Haushalt. Trotz der guten Einnahmen meiner Frau ist es nicht einfach, eine zehnköpfige Familie zu finanzieren. Wir müssen uns genau überlegen, was wir uns leisten können. Luxus und kostspielige Urlaube sind nicht drin. Da wir auf eine ganzheitliche Förderung unserer Kinder Wert legen, investieren wir viel in ihre musische und sportliche Entwicklung. Es ist wünschenswert, Kindheit für Schokolade Ich kann es noch immer nicht fassen: „230 Euro“, sagt der Mann ohne mit der Wimper zu zucken. Ich versuche, einen klaren Kopf zu behalten, kann jedoch mein Erstaunen kaum verbergen, als ich mir den Schweiß von der Stirn wische. Wir befinden uns inmitten einer Kakaoplantage in der Elfenbeinküste, Westafrika, bei sengender Hitze. Wir diskutieren nicht über den Preis für die Kakaobohnen. Es geht um den gehen oder gar entlohnt. Ich verhandle mit dem Besitzer der Kakaoplantage. Er glaubt, ich sei internationaler Kakaohändler und werde ein Kind kaufen. Er beliefert die größten multinational agierenden Schokoladenfabriken, die für Sie, werte Leser, und Ihre Kinder Schokolade produzieren. Er kann einen Kindersklaven für mein vorgetäuschtes Unternehmen besorgen – problemlos. Ist dieser Mensch „Wir müssen jeden Tag sehr gut durchplanen.“ Johannes Werling, Hausmann und Vater einer zehnköpfigen Familie „Ein Kind kostet bloß 230 Euro und noch habe ich nicht gefeilscht.“ Miki Mistrati, Autor und Regisseur des Dokumentarfilms „Schmutzige Schokolade überlegt, ob wir uns ein weiteres Kind ideell und materiell leisten können. Denn ein Kind kostet nicht nur Geld, sondern auch viel Zuwendung, Zeit und Energie. Wir müssen jeden Tag, vom Aufstehen angefangen bis zum Zu-Bettgehen, sehr gut durchplanen. Da die Zahnarztpraxis meiner Frau mit dem Wohnhaus verbunden ist, leistet sie ebenfalls ihren ständigen dass solche Ausgaben zumindest steuerlich absetzbar sind. Auch sollte eine einheitliche Regelung für die Familienermäßigung bei Fahrten oder Eintrittsgeldern gelten. Eine Familienkarte gilt meist für zwei Erwachsene und maximal zwei Kinder. Nur ein kleines von vielen familienunfreundlichen Problemen. Preis für ein Kind – ein sogenanntes Sklavenkind aus dem benachbarten Burkina Faso. Ein Kind, das zwölf Stunden pro Tag bei 30 Grad auf der Kakaoplantage schuftet: giftige Schädlingsbekämpfungsmittel ohne Arbeitsschutz sprühen, mit Hilfe gefährlicher Macheten ernten, schwere Säcke schleppen, während tödliche Schlangen wie Kobras oder Vipern seinen Weg kreuzen. Das Kind wird niemals zur Schule herzlos? Wie geht die internationale Schokoladenindustrie damit um? Handelt es sich lediglich um kalte Geschäftemacherei? Die Industrie weiß von Kinderhandel und Kinderarbeit, aber sie tut nicht genug dagegen. Sie bleibt dabei, dass Schokolade billig sein soll. Ein Kind ist genauso preiswert. Es kostet bloß 230 Euro und noch habe ich nicht gefeilscht.