+3 Magazin September 2013 | Page 10

10 INTERNATIONAL Indien: Mammutaufgabe Ökologie SEPTEMBER 2013 WELTWEIT LASSEN SICH MANNIGFALTIGE ANTWORTEN AUF UNSERE TITELFRAGEN FINDEN. WIR ENTSCHEIDEN UNS IN JEDER AUSGABE FÜR DREI BEISPIELE. DER BLICK ÜBER DEN TELLERRAND ERWEITERT OFTMALS DIE EIGENE PERSPEKTIVE UND ERÖFFNET ZUWEILEN NEUE WEGE. Aus kilometerweiter Entfernung sieht man Smog emporsteigen, der sich über den Dächern und modernen Türmen der indischen Megacity Mumbai zu einem riesigen Dunstteppich ausbreitet. Die Hauptstadt des Bundesstaates Maharashtra ist mit 21 Millionen Einwohnern im Großraum eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt - die fünftgrößte. Die pulsierende Metropole ist ein Ort der extremen Gegensätze: Mehr als die Hälfte der Einwohner lebt in einem der größten Slums Asiens. Für die Menschen in „Dharavi“ gibt es weder Wasserversorgung noch Abwasserentsorgung. Gleichwohl erwirtschaftet Mumbai ein Drittel der Exporteinnahmen Indiens. Immerhin bewegen sich sieben Millionen Menschen täglich in den maßlos überfüllten Vorortzügen ins Stadtzentrum. Mehr als 5.000 Passagiere zwängen sich in einen Zug. Wenn sich also 16 Menschen auf einen Quadratmeter drängen, dann ist Rushhour und die höchste Fahrgastdichte der Welt erreicht. Die selbstgesteckte Aufgabe einer Initiative namens „Mumbai Environmental Social Network“ (MESN) ist, ein effizientes Verkehrsmanagementsystem zu entwickeln. In der Megacity setzen sich die Menschen den starken Umweltbelastungen täglich erneut aus. Nach China und den USA war Indien 2012 das Land mit den weltweit höchsten CO2-Emissionen. Allein in Mumbai tragen 93 Tausend Automobile und 6.500 Tonnen Müll pro Tag ihren Teil dazu bei. So kämpft MESN seit Jahren für eine Problemlösung der Müllentsorgung, für die Förderung von erneuerbaren Energien, für einen effizienten Ausbau des Straßennetzes. Zahlen Anteil der beförderten Personen in Bussen in Mumbai 2013, in Prozent Anteil der beförderten Personen in Bussen und Bahnen in Deutschland 2011, in Prozent Luftbelastung durch Schwefeldioxid in Mumbai 2013, in ?g/m3 Luftbelastung durch Schwefeldioxid im Ruhrgebiet 2010, in ?g/m3 42 13 24,7 6 Quellen: Mumbai Environmental Social Network, Statistisches Bundesamt, Maharashtra Pollution Control Board (MPCB), Umweltministerium NRW Die Alpen: Unberührt - kein Luxus! Für die federleichte Skipartie auf sahnigem Neuschnee pilgern jährlich etwa 20 Millionen Skisportler in die Alpen. Mit teils künstlich beschneiten, gut präparierten Pisten ist der Tourismus allzeit gesichert. Die Schattenseite: Pistenpräparierung vor allem über 2.400 Meter nutzen die oberen Humus-Schichten unter dem mit Mineralien versehenen Kunst-Pulver ab. Böden verdichten sich, ihr Wasserspeicher und die Sauerstoffzufuhr der Vegetation werden angegriffen. Schlamm- und Geröll-Lawinen in Tauzeiten sind vorprogrammiert. Reinhold Messner erklärt dazu, dass Kunstschnee aus zusatzfreiem, überschüssigem Wasser der Umgebung keinen Schaden anrichtet. Ziel sollte auch sein, die Schneekanonen mit Druck statt Strom zu betreiben, oder mittels Wind- und Wasserkraft. Der Südtiroler hielt bereits 2002 in seinem Zehn-Punkte-Programm „Werte-Charta Berge Europa“ fest, dass sich Tourismus und Umweltschutz nicht ausschließen. Darin enthalten: der Erschließungsstopp ab 2.200 Meter. „Die Wildnis, der senkrechte Fels, der Gletscher - dort, wo der Mensch früher nicht hinging, vernünftig genug, diese Gefahren zu fürch ten - diese Räume müssen ohne Hütten, Steigen, Straßen, Pisten bleiben,“ so Messner. Auch ungünstige, überladene Infrastruktur lehnt der Naturschützer energisch ab. Denn die Kraft und Ausstrahlung der Alpen liege in der Summe unberührter Natur und gepflegter Kulturlandschaft in niedrigen Lagen. Iran: Die Kinder der Revolution Der Scheich war abgesetzt und die Monarchie beendet worden. Das war 1979 und die Geburtenrate im Iran eine der weltweit höchsten. Eine Frau brachte durchschnittlich 6,42 Kinder zur Welt. Jahrzehnte später, 2004, nur noch 1,87. Dass die Geburtenrate innerhalb von 25 Jahren um Zweidrittel sank, hatte politische Gründe. Junge, unzufriedene Iraner hatten die Islamische Revolution vorangetrieben. Die Regierung hoffte, dass sie mit einer besseren Bildungs- und Gesundheitspolitik, zukünftige Revolutionen verhindern könne. Zwischenzeitlich sollen mehr als 62 Prozent der Studienanfänger weiblich gewesen sein. Doch das hohe Bildungsniveau schien augenscheinlich den Revolutionsgeist vielmehr zu forcieren statt zu unterbinden. Die Unruhen im Jahr 2009 führten junge, gebildete Iraner an. Genau diese Iraner sind es, die die Regierung in Teheran fürchtet. Der politische und religiöse Führer Ali Chamene’i sagte, es sei jetzt das Ziel, die Bevölkerung des Landes von rund 75 Millionen auf 150 Millionen Iraner zu verdoppeln. Frauen sollten weniger studieren und dafür mehr Kinder bekommen. 2012 ordnete das Wirtschaftsministerium an, dass 77 Studienfächer nicht mehr von Frauen besucht werden dürften. Die meisten Universitäten folgten dieser Anordnung. Zahlen Zahl der Kinder, die eine Iranerin 1979 durchschnittlich zur Welt brachte 6,42 Zahl der Kinder, die eine Iranerin 2004 durchschnittlich zur Welt brachte Zahl der Kinder, die eine Irakerin 1979 durchschnittlich zur Welt brachte Zahlen Wasserverbrauch der mindestens für die Grundbeschneiung eines Hektars Skipiste in den Alpen benötigt wird 2007, in Liter Durchschnittlicher jährlicher Wasserverbrauch eines Deutschen 2010, in Liter Beschneibare alpine Pistenfläche 2004, in Hektar Beschneibare alpine Pistenfläche 2010, in Hektar Quellen: Statistisches Bundesamt, WWF Österreich, CIPRA Zahl der Kinder, die eine Irakerin 2004 durchschnittlich zur Welt brachte Quelle: Weltbank 1,87 6,65 5,50 600.000 44.165 23.840 47.289 © VICTOR HABBICK VISIONS/Science Photo Library/Corbis