+3 Magazin Oktober 2020 | Page 14

Das Kompetenzzentrum ländliche Mobilität zeigt vielfältige Zukunftslösungen
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Birgit Milius , Professorin für Bahnbetrieb und Infrastruktur , Technische Universität Berlin
Bereit für den großen Wurf
Der schienengebundene Verkehr kann nur durch Menschen revolutioniert werden – wenn beispielsweise Reisende pünktlichere und häufigere Angebote fordern , Politiker Maßnahmen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit ermöglichen und Ingenieure die Chancen in neuer Technik erkennen und diese in Systeme umsetzen . Das Eisenbahnsystem ist historisch gewachsen . Es ist auch heute organisatorisch und technisch vielen älteren Prozessen und Systemen verbunden . Wir leben in einer Zeit , die es aufgrund neuer Möglichkeiten der IT-Welt , wie Rechenleistung , Speicherkapazität , Virtual Reality oder Künstlicher Intelligenz , erlaubt , das System mittelfristig zu revolutionieren . Viele kleine Schritte wurden schon gemacht . Die Modellierung der Infrastruktur in 3D , automatisches Fahren bei U-Bahnen und Augmented Reality in der Instandhaltung sind bereits realisierte Konzepte auf dem Weg zu einem modernen Bahnsystem , in dem Züge pünktlicher ,
häufiger und schneller fahren und neue , attraktive Arbeitsplätze entstehen . Was wir jetzt brauchen , sind klare rechtliche Rahmenbedingungen , um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen und das , was im Moment nur an Ideen und Prototypen existiert , in den regulären Betrieb zu überführen . Gleichzeitig ist der Reisende gefordert , neuen Angeboten und Techniken eine Chance zu geben .
DER WANDEL LÄUFT
Alternative Antriebe wachsen
Benzin
Diesel
Hybrid
Elektro
Erdgas
Flüssiggas
0
933 820
784 818
Juli 2019 Juli 2020
50.000
181,7 %
100.000
143,5 %
13,8 %
-4,2 %
-18,6 %
150.000
Monatliche Pkw-Neuzulassungen in Deutschland nach Kraftstoffarten
-20,3 %
200.000
Daniela Bender , Leserin
Anreize setzen
Letztlich sind es unsere Gewohnheiten , die den Verkehr prägen . Ich denke hier beispielsweise an die kurzen Wege , die wir mit dem Auto oder per Fahrrad zurücklegen . Und an die Wahl des Reisegefährts , vom Auto über das
Jörg Starr , Vorsitzender Clean Energy Partnership ( CEP )
Stoff für die Zukunft
Um den Verkehr zu revolutionieren , werden wir nicht nur eine Technologie brauchen . Im Kontext der Energiewende sehen wir uns mit vielen Herausforderungen und Chancen konfrontiert . Um fit für die Zukunft zu sein , müssen wir technologieoffen denken . Im Sinne einer Mobilität ohne Emissionen ergänzen sich Brennstoffzellen- und Batterie-elektrische Fahrzeuge ideal . Entscheidend ist immer die Anforderung an das jeweilige Streckenprofil oder Fahrmuster . Die Clean Energy Partnership ( CEP ) setzt sich als branchenübergreifende Industrieinitiative für eine Mobilität mit Wasserstoff
Flugzeug und die Bahn bis hin zum Schiff und darüber hinaus . Aber auch die Politik nimmt fortlaufend Einfluss auf unsere Verkehrsgewohnheiten . Die finanzielle Unterstützung von Pendlern beispielsweise fördert natürlich das Verkehrsaufkommen im Straßenverkehr . Die Revolution im Verkehr wird letztlich von unseren geänderten Bedürfnissen ausgehen .
und Brennstoffzelle ein . Tiefgreifende Veränderungen funktionieren nur im Team . Aus gutem Grund agieren wir Partner daher in einer zukunftsorientierten und stark gestalterischen Zusammenarbeit , jenseits von Wettbewerbsgrenzen . Denn wir wissen , dass Wasserstoff einen bedeutenden Beitrag zu einer erfolgreichen Energieund Verkehrswende leistet . Angefangen bei Pkw , über den ÖPNV und Lkw bis hin zu Schiffen und Zügen . Die H2-Mobilität mit ihrer mit konventionellen Antriebsformen vergleichbaren Wertschöpfungstiefe kann eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft sein . Jetzt gilt es im Schulterschluss von Politik und Industrie , die regulatorischen Rahmenbedingungen für eine zeitnahe Etablierung am Markt und die wirtschaftlich abbildbare Produktion grünen Wasserstoffs zu schaffen . Wasserstoff ist Teil der Lösung . Dieses Potenzial müssen wir nutzen – gemeinsam .
Quellen : KBA , Statista
Gerhard Altschäffl , Leser
Ein System für alle
Die Revolution muss und wird in unseren Köpfen stattfinden – oder eben nicht . Unsere Ansprüche an individuelle Fortbewegung bestimmen heute und künftig den Verkehr . Ein Beispiel : In Städten haben individuelle Pkws einfach nichts verloren . Kern ist ein sehr gut ausgebauter ÖPNV ,
hinzu kommen moderne Sammeltaxis – beides künftig elektrisch und autonom . Das Netz ist so dicht und miteinander verknüpft , dass kein Nutzer weiter als 200 Meter bis zu einem Haltepunkt gehen und länger als fünf Minuten warten muss . Der Nutzer gibt in einer App lediglich seinen Standort und das Ziel ein . Intelligente Software berechnet den optimalen Weg und fordert bei Bedarf ein Sammeltaxi an . Jeder kommt mit diesem
System schneller und kostengünstiger ans Ziel als mit dem eigenen Pkw . Sämtliche Parkflächen entfallen und können für andere Zwecke genutzt werden . Straßen brauchen nur mehr eine Fahrspur je Richtung und Randspuren für Ein- und Ausstieg , Lieferund Abholverkehr . Die Straßen können teilweise zurückgebaut werden und stehen für Radfahrer , Fußgänger und städtisches Grün zur Verfügung .
Auf eine umfangreiche elektrische Ladeinfrastruktur kann verzichtet werden . Pkws werden nur mehr für Individualverkehr in der Fläche und für Freizeitaktivitäten dorthin benötigt . Das funktioniert dann vielfach durch Carsharing oder Mietautos . Aber auch auf dem flachen Land vermindern regionale Mitfahr-Apps den individuellen Pkw-Gebrauch . Revolutionär , oder ?
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MOBILITÄT AUF DEM LAND : INTERMODAL , ON DEMAND , VIELFÄLTIG

Das Kompetenzzentrum ländliche Mobilität zeigt vielfältige Zukunftslösungen

Die Mobilität der Zukunft findet auch im ländlichen Raum statt . Heute ein Sorgenkind der Bedienung mit öffentlichen Verkehrsangeboten – insbesondere dort , wo er fern von Städten ist – in der Zukunft einer der Hotspots der Innovationen , weil er als Garten der Metropolen Zukunftsraum für viele Städter sein wird .
Ein Beispiel ist ELLI , der Nachbarschaftsbus im Amt Röbel / Müritz in Mecklenburg-Vorpommern . ELLI wurde vor vier Jahren vom Kompetenzzentrum ländliche Mobilität ( KOMOB ) aus Wismar initiiert . In den ELLI-Bussen fahren ehrenamtliche Fahrer die Dorfbewohner in die Ankerstädte und zu den Umsteigemöglichkeiten in die nahe und weite Welt . Sie werden betrieben von einem Verein , der sehr stark regional verankert ist . Im Entwicklungsprojekt Hub- Chain hat das KOMOB-Konsortium eine Software entwickelt , die wie bei ELLI auf einen Schwarm von kleinen Shuttlebussen aufsetzt und dafür sorgt , dass an den Haltestellen der Regiobusse zu jedem Halt ausreichend Umsteigeangebote vorhanden sind . Für diese Software hat das KOMOB zusammen mit dem HubChain-Konsortium den Innovationspreis des Bundeswirtschaftsministeriums und den Deutschen Mobilitätspreis gewonnen . In naher Zukunft soll ELLI mit kleinen autonomen Mikroshuttles durch die Region fahren und die öffentliche Mobilität dann fahrerlos werden . Ein Forschungsprojekt dafür hat das KOMOB vorbereitet . An den größeren Umsteigepunkten sorgen Mobilitätsstationen dafür , dass von Fahrrädern bis zu Taxen multimodale Umsteigeangebote vorhanden sind . Und auch Carsharing macht KOMOB auf dem Lande möglich , indem durch feste Kontrakte an den Wochentagen mit Apotheken , Stadtverwaltung , Museen und anderen eine Nutzung an den Wochenenden für die Anwohner attraktiv und für den Betreiber risikoarm wird . Mehr Informationen unter : komob . de