+3 Magazin Oktober 2019 | Page 14

+2 14 › Erich Meisdorf, Leser Mario Ohoven, Präsident Bundesverband mittel- ständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands (BVMW) Über den Tellerrand Bürokratische Hürden und die verbrei- tete Furcht vor Migration erweisen sich als signifikante Hemmnisse für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn es darum geht, qualifizierte Arbeitskräf- te aus anderen Ländern anzuwerben. Auch andere Industrienationen haben mit dem Geburtenrückgang zu kämpfen und konkurrieren mit Deutschland um die besten Köpfe. In dieser Beziehung ist Deutschland ein Spätzünder, da es erst vor wenigen Jahren überhaupt an- erkannt hat, ein Einwanderungsland zu sein. Wichtig wäre es vor allem, auslän- dische Studenten im Land zu halten. Viele genießen hier eine umfangreiche Ausbildung, die sie dann in für sie at- traktiveren Ländern anwenden. Hier ist die Politik gefordert: Schuli- sche Bildung muss junge Menschen fit für das Berufsleben machen. Das erfordert klare Leistungskriterien in einem differenzierten Bildungssystem sowie transparente Notengebung. Zudem müssen die Schulen wirt- schaftliches Wissen vermitteln und junge Menschen für das Unterneh- mertum begeistern. Solange junge Menschen, die sich für eine Lehre entscheiden, als Bildungsabsteiger angesehen werden, läuft generell et- was falsch. Deshalb muss endlich die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung verwirklicht werden. Wir brauchen mehr Meis- Fragt den Mittelstand Der Mittelstand bildet verlässlich acht von zehn Auszubildenden aus. Bei der rein praktischen Ausbildung in den Betrieben bleibt es selten. Um den Berufsabschluss zu erreichen, brau- chen 60 Prozent der Azubis Nachhil- fe in Deutsch und Mathematik – der Ausbilder wird zum Nachhilfelehrer. ter und weniger Master. Klein- und Mittelbetriebe nahezu aller Branchen und Regionen leiden unter akutem Fachkräftemangel. Die mittlere Bil- dung könnte helfen: In Bundeslän- dern mit einer starken Realschule ist der Fachkräftemangel weniger stark. Studienabbrecher sollten in die duale Ausbildung integriert werden. Der- zeit beginnen zwei Drittel der Studi- enberechtigten eines Jahrgangs ein Hochschulstudium, 30 Prozent bre- chen es jedoch innerhalb der ersten beiden Semester wieder ab. Durch die Anrechnung bereits erworbener Lerninhalte ließe sich die Ausbil- dungszeit verkürzen. FACHKÄFTE AUS DEM AUSLAND Was Unternehmen bei der Rekrutierung helfen würde Ihr Name, Leserin 58% 54% 53% Umworbene Spezies Zahlreiche Unternehmen sehen sich, trotz erster konjunktureller Eintrü- bungen, vor der Herausforderung, offene Stellen zu besetzen. Vor allem Fachkräfte mit nichtakademischem Hintergrund werden gesucht wie schon lange nicht mehr. Eine Studie, die wir gemeinsam mit meinestadt.de 2017 durchgeführt haben, verdeutlicht, was Unternehmen machen können, um attraktiv für solche Fachkräfte zu sein. Etwa zwei Drittel der Befragten gaben an, sich einen sicheren, also unbefristeten Arbeitsplatz sowie eine pünktliche Gehaltszahlung zu wün- schen. Diese Punkte werden häufig als selbstverständlich angesehen, sollten jedoch bei der Werbung um Fachkräfte nicht vernachlässigt werden. Weitere wichtige Punkte sind die gelebte Ar- beitskultur und der erste persönliche Eindruck. Hier müssen Arbeitgeber besonders überzeugen. Weniger wich- 43% 38% 37% 33% 26% 28% 24% 19% Matthias Baum und Alexander Küsshauer, Lehrstuhl für Entrepreneurship, Technische Universität Kaiserslautern 45% 41% 42% 41% 41% 39% 52% 51% 16% 27% 25% 20% 20% Change your mind Gut ausgebildete Fachkräfte sind in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland der Motor unserer Wirtschaft. Die Generation der Ba- byboomer geht in den nächsten Jah- ren in Rente und es kommen nicht genügend Arbeitskräfte nach. Ver- schärft wird diese Situation durch Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel- leicht erscheinen Sie im nächsten Heft. 14% Thomas Wiesner, Leser Gesamt Industrie Bau Handel Dienstleistungen Verbesserung der Sprachkenntnisse / Mehr Sprachangebote im In- und Ausland Vereinfachung des administrativen Verfahrens Unterstützung im gesamten Prozess Erleichterung der Zuwanderungsregelungen Keine Hilfe nötig Umfrage unter mehr als 11.000 Unternehmen, die in Nicht-EU-Staaten rekrutieren würden, Herbst 2018; Mehrfachnennungen möglich Die meisten, die schon mal die Diens- te eines Handwerkers benötigten, sind sich des Problems des Fachkräfteman- gels bewusst. Dies hängt auch damit zusammen, dass wir unseren Kindern suggerieren, dass sie ohne Studium beruflich nichts erreichen werden. Quelle: DIHK tig scheinen hingegen die Aufstiegs- chancen sowie die Höhe des Gehalts für die Zielgruppe der Fachkräfte zu sein. Weiterhin zeigt die Studie, dass Standardkommunikationskanäle wie ansprechende Karriere-Webseiten für Fachkräfte nicht notwendigerweise geeignet sind. Wesentlich wichtiger ist und bleibt der persönliche Eindruck im Vorstellungsgespräch sowie Berichte aus dem persönlichen Netzwerk. Durch ein zielgerichtetes Management dieser Kontaktpunkte können Unternehmen ihre Arbeitgebermarke für Fachkräfte attraktiver machen. Lars Vollmer, Unternehmer, Autor und Honorarprofessor Neuer Wettbewerb der Argumente Der Fachkräftemangel ist ein moder- nes Narrativ, erzählt von Personal- dienstleistern und denjenigen Unter- DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Ralf Hocke, CEO spring Messe Management Was ist Ihre Meinung? die sich fundamental verändernden Qualifikationsanforderungen, die die (digitale) Transformation mit sich bringt. Angesichts dieser Ent- wicklungen sind die Arbeitgeber – und damit insbesondere die HR- Abteilungen – gefordert, die Talente von morgen zu finden, erfolgreich an das Unternehmen zu binden und weiterzuentwickeln. Umso mehr nimmt die Bedeutung von Emplo- yer Branding in Form einer klar definierten Arbeitgebermarke und Qualifizierung der Mitarbeiter zu. Ein Ansatz, um all dies zu vereinen, ist das Future-of-Work-Konzept: Es basiert auf den vier Säulen Spaces, Tools und Methods, Leadership, Cul- ture und Mindset sowie Skills und Competences. Der Gleichklang aller Säulen ermöglicht es Unternehmen, ihre Arbeitswelt zukunftsgerecht aufzustellen und zugleich die (digi- tale) Transformation erfolgreich zu gestalten. Wie dieser Change Prozess gelingen kann, zeigt beispielsweise die Konferenz Digital Mind Change am 24. Oktober in der BMW Welt München – präsentiert von spring Messe Management, dem Veranstal- ter von Europas führenden Expos, Events und Conferences für die Welt der Arbeit. Erfahren Sie mehr auf: www.digitalmindchange.de nehmen und Institutionen, die mit einer hochnäsigen Arbeitgeberatti- tüde und (nun inzwischen digitali- sierten) Rekrutierungsmethodiken aus dem Industriezeitalter nach ei- ner aufgeklärten wie selbstbewussten Generation angeln und Fachkräfte für Fische halten. Und keiner beißt an. Etwas weniger vorwurfsvoll aus- gedrückt klingt das so: Fachkräfte sind vorhanden. In großer Zahl, zu- meist ambitioniert, motiviert, mo- bil, der Wirtschaft zugewandt und höchst anspruchsvoll. Nur laufen sie nicht mehr arbeitssuchend herum. Dass wir einen Wandel vom Arbeit- geber- zu einem Arbeitnehmermarkt erleben, darf uns angesichts einer Quasi-Vollbeschäftigung nicht wun- dern und sogar gesellschaftlich er- freuen. Das kann sich auch wieder ändern. Es gilt vielmehr, als moder- ner Arbeitgeber sinnhafte Argumen- te für Fachkräfte zu finden – und die liegen jenseits von Performance Reviews, stupiden Incentivierungen, anonymen Mitarbeiterbefragun- gen, Meeting-Kollaps und Eckbüro. So ist es keine Überraschung, dass längst nicht alle Unternehmen unter Fachkräftemangel leiden. Es scheint gallische Dörfer auch außerhalb von Ballungsräumen zu geben, die das Narrativ nicht kennen und die hohe Dynamik des Marktes förmlich lust- voll in Gebrauch nehmen.