+3 Magazin Oktober 2014 | Page 6

+2 6 Reinhold Carle, Professor für Lebensmitteltechnologie Früher gelangten Bio-Produkte aus regionaler Erzeugung noch überwiegend über Direktvermarkter zum Kunden. Obst und Gemüse erreichten somit den Verbraucher ohne weite Transport- und Distributionswege nahezu erntefrisch. Aufgrund ihrer saisonalen Verfügbarkeit werden Obst und Gemüse aus Bio-Anbau heute weltweit beschafft, womit die globale Frucht- und Gemüselogistik an Bedeutung gewonnen hat. Die möglichst lange Frischerhaltung von Obst und Gemüse ist somit auch für Bio-Produkte eine Realität: Produkte aus biologischem Anbau haben unter Umständen einen langen Weg hinter sich und sind daher häufig nicht mehr „erntefrisch“. Für Transport und Frischerhaltung werden weitgehend die gl eichen Verfahren angewandt wie für konventionelle Ware. Einige Maßnahmen, etwa die Entkeimung durch Chlorwasser, die Oberflächenbehandlung mit Fun- Uschi, Leserin WO SPRIESST DAS SO GRÜN ... ? Fast die gleichen Verfahren für den Transport Damals: die Motivation Der ursprüngliche Unterschied zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft war die Motivation. Es ging nicht um Geld, sondern um die Idee, etwas zu verändern. Allerdings ist die Biobranche heute so sehr kommerzialisiert, dass es schwierig ist, die Produkte zu finden, hinter denen tatsächlich die Idee, etwas zu verändern, steckt. Karl Martin, Leser giziden und das zur Haltbarkeitsverlängerung von Äpfeln verwendete SmartFresh, sind jedoch bei Bio-Produkten nicht erlaubt. Auch Bio-Obst wird jedoch unter kontrollierter Atmosphäre auf dem See- oder Luftweg zum Importeur transportiert bzw. gelagert. Die Hemmung der Fruchtreifung während des Transports und der Lagerung sowie die Ethylen-Behandlung zum Entgrünen von Ananas und Citrusfrüchten bzw. zur Reifung von Bananen und zur Keimhemmung von Zwiebeln sind auch für Bio-Produkte üblich und gemäß Öko-Verordnung zulässig. Bio-Obst und -Gemüse hält somit nicht in jedem Fall das Versprechen absoluter „Frische“! 42.040 Italien 547.590 169.570 Mexiko 21.047 Deutschland 122.360 Äthiopien 43.660 Peru Leander Löwe, Leser Keine Pestizide Bio-Essen soll schlicht dafür sorgen, dass die Verbraucher kein Gift (z. B. Pestizide) essen müssen. Mit gesunder Ernährung oder Umweltschutz hat Bio höchstens indirekt etwas zu tun. Ihr Name, Ihr Beruf Schreiben Sie uns doch Ihre Antwort. Unsere nächsten Fragen finden Sie auf Seite 22. Tansania Quelle: Russland Heute, 2011 DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Rainer Plum, Vorstand Reformhaus eG Wer hats erfunden? Mit Stolz können wir behaupten, dass die Lebensreformbewegung, aus der das Reformhaus® 1887 hervorgegangen ist, die Geburtsstätte von Bio ist. So hat Ewald Könnemann bereits Anfang 1920 in der Lebensreform-Obstbausiedlung Eden in Oranienburg bei Berlin mit seinen Studien und Schriften die Grundlagen für den organischbiologischen Landbau gelegt. Und Reformhaus® war über Jahrzehnte bis in die 1970er die einzige Einkaufsstätte für Produkte aus biologischem Anbau. Aus meiner Sicht ist ein seriöser biologischer Anbau, wie in vor allem viele Mitglieder der anerkannten Bio-An- Tomas Brückmann, Experte für Pestizide und Biodiversität beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) 145.430 Das Siegel darf den Verstand nicht ersetzen Gutes Bio? Böses Bio? Kann man auf das Siegel vertrauen? Wer kontrolliert es? Gibt es gefälschte Siegel? Ich möchte nicht alles anzweifeln – wie sagte es schon vor Jahren der Werbespruch einer Bank so schön: „Vertrauen ist der Anfang von Allem.“ Na ja, wir wissen aber auch, wie manche Banken geschleudert sind. Von daher: Ich vertraue auf die Bio-Siegel. Dennoch ist es noch lange kein Garant für guten Geschmack und Frische. Und vor allem: Macht es Sinn, im Dezember Erdbeeren zu haben und Bio-Kartoffeln aus Frankreich zu importieren? Von daher: Bio-Siegel sind gut, der eigene Verstand und das eigene Augenmaß können aber keine Siegel ersetzen. Hauptsächlich hält Bio erst einmal das Versprechen, dass man sich beim Kauf und beim Konsum als besserer Mensch fühlen darf. Dabei ist Bio für den Verbraucher eine der wenigen Möglichkeiten der direkten Einflussnahme auf die Marktwirtschaft (neben Konsumverzicht). Da es zurzeit nicht der für alle Menschen mögliche Weg ist, ist es ein Votum für die richtige Richtung. Indien Uganda 32.200 Spanien Bio = Stimmzettel Was ist ihre Meinung? ANZAHL DER BIO-PRODUZENTEN IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERN 188.630 Katrin Achilles, Leserin bauverbände und der IFOAM-Verbände im In- und Ausland betreiben, der einzige landwirtschaftliche Weg zur so dringend benötigten Erhaltung der Fruchtbarkeit der Erde und zum Schutz von Boden, Wasser und Luft. Für die Produktion hochwertiger BioLebensmittel im Reformhaus® gehört auf Basis der strengen neuform Qualitätsrichtlinien neben dem biologische Anbau der Rohstoffe, vor allem auch die Vollwertigkeit der Produkte zum absoluten Muss. Und da wir die führende vegetarisch/vegane Einkaufsstätte sind, ebenso der generelle Verzicht auf Stoffe vom toten Tier. Der zunehmende Druck von Seiten der industriellen Lebensmittelproduzenten und der international agierenden Handelsketten auf die Aufweichung und Verwässerung der EU-Ökoverordnung ist eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten, auch für uns, unsere Mitglieder und Partner und die Reformhaus® KundInnen. Pestizide bedrohen unsere Artenvielfalt Deutschland wird auf mehr als 50 Prozent seiner Fläche landwirtschaftlich genutzt. Die offene Landschaft ist aber auch Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen: Hier ist die Artenvielfalt stark bedroht! Über zwei Drittel von ihnen stehen auf Roten Listen der bestandsbedrohten Arten. Dafür verantwortlich sind der Einsatz von Pestiziden wie auch die Beseitigung von Strukturelementen. Besonders deutlich wird das bei den Bienen. Neueste Erkenntnisse belegen: Das Bienenvölkersterben wird auch durch giftige Agrochemikalien ausgelöst und verstärkt. Hier muss dringend umgesteuert werden; viele Arten stehen vor dem Aussterben! Der kontrollierte ökologische Landbau ist ein guter Ansatz, neben der menschlichen Gesundheit auch die Artenvielfalt zu schützen. Denn im Ackerbau verzichtet der Ökolandbau auf Pestizide und im Ökoobst- und Weinbau werden synthetisch hergestellte Agrochemikalien nur in sehr geringen Mengen eingesetzt. So leben auf ökologisch bewirtschafteten Flächen mehr Tiere und Pflanzen. Ebenso werden durch den Verzicht auf Pestizide der Boden, Gewässer wie auch das Grundwasser geschützt. Denn viele der giftigen Chemikalien gelangen in unser Lebenselixier, das Wasser. In der Bundesrepublik werden bisher nur 6,3 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet. Ziel des BUND ist: 20 Prozent Ökolandbau bis 2020.