PLUS drei
8
Oktober 2013
Wie wirkt Inklusion?
27 Prozent der befragten Werktätigen halten
ihre sexuelle Orientierung oder Gender-Identität
stets verborgen.
Quelle: Europäische Grundrechteagentur
Fotografie aus dem Bildband „AnderStark - Stärke braucht keine Muskeln“
von Anastasia Umrik. Fotografin/Copyright: Jessica Prautzsch.
Schamlos hemmungslos
Im Interesse aller
Besuche in Berliner Grundschulen können in diesen Tagen regelrechte Erweckungserlebnisse sein. Denn dort wird
gerade der gesamte Unterricht auf JÜL
umgestellt. Das bedeutet „jahrgangsübergreifendes Lernen“ und ist eine
ziemliche Revolution im trägen Deutschland. In eine JÜL-Klasse gehen Kinder
zwischen 6 und 9, mit und ohne Migrationshintergrund, behindert und nicht-behindert. Mindestens zwei Lehrer sowie
Schüler an einer Art „deutschen Norm“
gemessen und etwa bei den Kindern
mit Migrationshintergrund nur Defizite
festgestellt. Mittlerweile aber sind diese
Kinder in allen deutschen Städten in der
Mehrheit – in Frankfurt haben zwei Drittel der Kinder mindestens ein Elternteil,
das selbst noch eingewandert ist. Was
also soll die „Norm“ sein? Anstatt weiter
an hergebrachten Vorstellungen von Integration festzuhalten, braucht es einen
„Statt an hergebrachten Vorstellungen
von Integration festzuhalten, braucht es
einen Perspektivwechsel.“
Mark Terkessidis, Migrationsforscher und Publizist
Erzieher und Sonderpädagogen machen
aus dem Unterricht ein tagtägliches
Kunstwerk. Gut ausgeführt sorgt JÜL
dafür, dass Kinder als Individuen betrachtet und gefördert werden – kleine
Personen mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Hintergründen und familiären Referenzrahmen. Früher hat man die
Perspektivwechsel. Die Frage lautet heute: Sind unsere Institutionen „fit“ für die
normale Vielfalt unserer Gesellschaft?
Inklusion und Interkultur werden oft
als Programme gesehen, die etwas „für“
Minderheiten machen sollen. Das ist
grundfalsch: Es geht dabei um eine Erneuerung im Interesse aller!
Behinderte haben Sex. Aus Mitleid.
Mit Nicht-Behinderten. Weil die immer
quengeln. Aber wir Behinderte müssen
vorsichtig sein, denn manchmal kommen da Leute, die einfach nur mit uns
schlafen wollen, weil es mal gerade hip
und edgy ist. Und deswegen müssen
wir bei der Wahl des Geschlechtspartners höllisch aufpassen. Da muss man
auch schon mal sagen: „Frau Klum,
beim besten Willen, also bei Ihnen sehe
muss absolut top sein. Denn Sex mit Behinderten ist ein Mega-Event. Wer mit
einem Rollstuhlfahrer schlafen möchte,
der wird mit einem Flaschenzug an die
Decke gezogen, ausgeklinkt, und muss
ähnlich wie beim alten Computerspiel
„Tetris“ den Geschlechtspartner passgenau treffen. Sonst schlägt man hart auf
dem Betonboden auf und die Nächste
wird an die Decke gehievt. Ein knallhartes Auswahlverfahren. Kleinwüchsige
„Inklusion wirkt entspannend im
Miteinander. Schellen Sie doch mal an.“
Martin Fromme, Kabarettist und Moderator
ich keine Möglichkeit, dass wir den Geschlechtsakt vollstrecken werden.“ Und
dann geht die Klum wieder heulend
nach Hause. Aber wir müssen hart sein.
Wir können nicht jede nehmen. Und
schließlich ist die Klum ja auch schon
weit über 40. Das ginge von der Ästhetik gar nicht. Da achten wir drauf. Die
tragen Latex-Anzüge aus Boss-Plastiktüten, Contergan-Geschädigte lassen sich
im Rahmen ihrer Möglichkeiten ans Andreaskreuz fesseln. DAS GLAUBEN SIE
NICHT? Stimmt. Wir sitzen tagtäglich in
unseren dunklen Höhlen und weinen.
Schellen Sie doch mal an. Vielleicht
sind wir ja zufälligerweise nackt.