+3 Magazin November 2022 | Page 16

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Aufholjagd starten
Aus Sicht der mittelständischen Digitalwirtschaft steckt gleich dreifaches Potenzial in der Verwaltungsdigitalisierung . Erstens freuen sich nicht nur Bürgerinnen und Bürger , wenn der Gang zur Behörde nicht mehr nötig und die Beantragung von staatlichen Leistungen weniger kompliziert und papierreich ist . Auch Unternehmen – insbesondere kleinen und mittelständischen – nutzt ein schlankerer Staat , der mithilfe der Digitalisierung Bürokratie abbaut und Verfahren beschleunigt , sehr . Zudem steckt in der Digitalisierung des Staates ein enormer Hebel zur Stärkung unserer digitalen Souveränität . Hierbei kommt dem IT-Mittelstand eine Schlüsselrolle zu . Denn als Anbieter von digitalen Lösungen „ made in Germany “ trägt er maßgeblich zur Reduzierung der Abhängigkeit von Big Tech bei . Gerade im sensiblen Bereich staatlicher Verwaltung ist technologische Selbstbestimmung von besonders großer Bedeutung . Und drittens hat der Staat als größter Einkäufer von IT- Leistungen in Deutschland eine nicht
Wolfgang Schwab , Leser
Patrick Häuser , Leiter Hauptstadtbüro , Bundesverband IT-Mittelstand ( BITMi )
Positive Vorbilder
Im digitalen Staat steckt großes Potenzial , wie uns Corona gezeigt hat . Mit genügend Daten ist eine vernünftige Umsetzung denkbar . Dass trotzdem auch Datenschutz möglich ist , zeigt uns das Beispiel Estland . Man muss nur bereit sein , positive Erfahrungen anderer Staaten aufzugreifen .
zu unterschätzende Vorreiterrolle , durch die er die digitale Transformation insgesamt beflügeln kann , indem er sich selbst konsequent digitalisiert , Fortschritt vorlebt und – zum Beispiel durch die elektronische Identität – Möglichkeiten für den Einsatz digitaler Technologien im Alltag schafft . Die Herausforderungen bei der Verwaltungsdigitalisierung sind weiterhin groß , aber ihr Potenzial sollte der Bundesregierung Ansporn sein , eine Aufholjagd zu starten .
Andreas Meyer-Falcke , CIO Land Nordrhein-Westfalen
Verwaltung integriert digitalisieren
Von der E-Akte zum digitalen Bürgeramt – das ist die Kurzform der digitalen Transformation der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen . Das ist unser Verwaltungsbeitrag zu einer smarten City . Das heißt , alle Behördengänge können künftig rund um die Uhr erledigt werden . Und zwar medienbruchfrei , Endezu-Ende digitalisiert , weitgehend automatisiert . So ermöglichen wir unseren Kunden einen zeitgemäßen und nutzerorientierten Zugang zu den Leistungen der Verwaltung . Und schaffen zudem spürbare Erleichterungen für unsere Beschäftigten . Die Digitalisierung der Verwaltung ist die größte Verwaltungsreform seit Jahrzehnten . Zwar beruht die digitale Transformation auf Technik , aber sie endet nicht dort . Sie erfasst unsere Organisationsstrukturen , unsere Arbeitsprozesse und unsere Rechtssetzung . Sie schafft Transparenz , entbürokratisiert und beschleunigt . Mit zunehmendem Fachkräftemangel , der Zuspitzung der demografi-
DIGITALE SERVICES Was Behörden unbedingt anbieten sollten
Online-Anträge & Übermittlung von Dokumenten
Online bezahlen ( z . B . via Paypal )
Statusmeldung zur Phase der Bearbeitung
Papierlose Abwicklung aller Anträge
Kommunikation via Live-Chat
7 %
App zu kommunalen Leistungen / Angeboten
Digitale Beteiligungsprozesse ( z . B . Bauen )
11 %
Open-Data-Portal ( Informationen einsehbar )
11 %
Keine der Genannten
15 %
13 %
23 %
40 %
56 %
Umfrage unter 5.000 Personen in Deutschland , November 2021 ; Mehrfachnennungen möglich
schen Entwicklung , liegt in der Digitalisierung eine Antwort auf die bevorstehenden Herausforderungen . Verwaltungsdigitalisierung hat viele Aspekte , die für das Gemeinwohl wichtig sind : von der Sicherheit der IT-Systeme bis zur Bereitstellung von digitalen Möglichkeiten zur politischen Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger . Darum muss die Fortentwicklung der Verwaltungsdigitalisierung ganzheitlich gedacht und konsequent umgesetzt werden .
66 %
Quelle : Sopra Steria
Ihr Name , Leser
Was ist Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns , was Sie zu den kommenden Fragen auf der letzten Seite denken – vielleicht erscheinen Sie dann im nächsten Heft .
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE
Matthias Clad , Mitgründer viind GmbH
( Un ) Erreichbarkeit
Dass immenses Potenzial im digitalen Staat steckt , steht außer Frage . Doch wieso kommt es bei den Bürger : innen nicht an ? Die Arbeit und Ressourcen , die in die Digitalisierung des Staates fließen , sind die Basis für unser gemeinsames Ziel : eine reibungslose Kommunikation zwischen Behörden und Bürger : innen . Doch die Navigation durch Landesportale mit tausenden Informationen ist oft schwierig , zeitaufwendig und mühsam . Hinzu kommen sprachliche Hürden , fehlende Barrierefreiheit und kurze Öffnungszeiten vor Ort . Genau hier sehen wir große Chancen in KI-basierten
Chatbots . Sie bieten die Möglichkeit , mehrsprachig , barrierefrei und rund um die Uhr zu helfen . Das ist Hilfe , die auch wirklich ankommt . Denn sie ist für alle Bürger : innen nutzbar , ob über Whatsapp , Instagram oder die eigene lokale Webseite – und das DSGVO-konform . Gerade in Krisenzeiten ist es essenziell , Infos möglichst effektiv für alle bereitzustellen . Neben dem Beantworten von Fragen zu Corona oder der Ukraine hilft der Chatbot auch bei der Passbeantragung , Mängel werden inklusive Standort schnell gemeldet und der nächste Termin ist binnen Sekunden gemacht . Die Möglichkeiten sind schier unendlich und Beispiele wie der Landkreis Regensburg zeigen dies . Damit Deutschland mit der Digitalisierung erfolgreich ist , muss Infrastrukturplanung Hand in Hand mit Benutzungsfreundlichkeit gehen . Nur so können wir das Potenzial der Digitalisierung ausschöpfen .
Martin Kaloudis , Chief Executive Officer BWI
Zwischen Tempo und Sicherheit
Bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit gefragt . Dabei gilt es , staatliche digitale Souveränität zu wahren , Abhängigkeiten zu reduzieren und Wahlfreiheit in der Technologie herzustellen . Andererseits ist es wichtig , Geschwindigkeit aufzunehmen bei der Einführung von Funktionalitäten . Industrieunternehmen packen die digitale Transformation längst an . Anders in der öffentlichen Verwaltung : Hier kommt die Digitalisierung nur langsam voran , obwohl sie innovative Standardlösungen der Industrie nicht
neu erfinden muss . Prozesse , Aufgaben und Nutzeranforderungen gleichen sich oft . Als Digitalisierungspartner der Bundeswehr sondieren wir Technologien am Markt und stellen sie der Bundeswehr so zur Verfügung , dass sie schneller nutzbar werden – aber eben ohne Kompromisse , was Sicherheit und Souveränität angeht . So stellen wir zum Beispiel seit 2020 mit dem BwMessenger einen eigenen , sicheren Messenger für die dienstliche Kommunikation zur Verfügung , ermöglichen die Vermittlung von Ausbildungsinhalten via VR , erarbeiten Lösungen , um KI für die Entscheidungsfindung zu nutzen , und optimieren zeitfressende Routinetätigkeiten durch digitalisierte Prozesse . Die Wirkung solcher Lösungen endet aber nicht am Tor der Liegenschaft , sie können auch Blaupausen für die staatliche Verwaltung sein . Hier müssen wir in Deutschland besser darin werden , voneinander zu lernen . Die Idee des digitalen Staates ist somit Chance und Herausforderung zugleich .