+3 Magazin November 2021 | Page 18

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WIR FRAGEN :

WAS IST DIE ZUKUNFT VON ANTIBIOTIKA ?

Pilze verwenden Antibiotika , um miteinander zu kommunizieren .
Quelle : vaam . de © iStock ./ Thomas Northcut
Größer denken
Mark Brönstrup , Leiter Chemische Biologie , Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ( HZI )
Die Resistenzproblematik besorgt uns , aber wir haben gute Chancen , durch intensivierte Antibiotikaforschung und -entwicklung wieder die Oberhand zu gewinnen . Dabei sind mehrere Dinge wichtig : Die Findung neuer Antibiotika ist langwierig , daher brauchen wir koordinierte und anhaltende Programme für Grundlagen- und Translationsforschung , nicht nur kurzfristige Projektförderung . Zurzeit werden vor allem bestehende Antibiotika inkrementell verbessert , weil das Risiko , damit zu scheitern , klein ist . Um großen Fortschritt zu erzielen , müssen wir aber
auch neue Wirkstoffklassen finden und etablieren sowie den Mut haben , in ungewöhnliche Ansätze zu investieren . Probleme mit Antibiotikaresistenzen gibt es global , daher sollten die Lösungen es auch sein . Hier sind gerade leistungsfähige internationale Organisationen aufgebaut worden wie der gemeinnützige Combating Antibiotic Resistant Bacteria Biopharmaceutical Accelerator ( CARB- X ), die Innovative Medicines Initiative ( IMI ), der AMR Action Fund oder auf nationaler Ebene das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung . Daraus werden neue Produkte entstehen , wenn wir dranbleiben – und das Problem des Marktversagens beheben . Solange neue Antibiotika zwar für die Gesellschaft enorm wertvoll , aber für die ausbietende Firma ein Verlustbringer sind , wird keine Innovation am Patienten ankommen . Hier sind neue ökonomische Anreize nötig .
Kai Joachimsen , Hauptgeschäftsführer Bundesverband der pharmazeutischen Industrie ( BPI )
Im Wettlauf mit Resistenzen
Antibiotikaresistenzen sind ein erhebliches Problem . Für eine nachhaltige Verhinderung schwerwiegender bakterieller Infektionen sind zwei Aspekte zu berücksichtigen . Zuvorderst benötigen wir Moleküle mit neuartigen Wirkmechanismen , auf die sich die krankheitserregenden Bakterien noch nicht eingestellt haben . Zum anderen müssen die bekannten Wirkstoffe bestmöglich genutzt werden . Hierbei ist das sogenannte Re- Purposing wichtig , also immer wieder danach zu schauen , gegen welche
Erreger diese Wirkstoffe aktuell gut wirken und wie sie neu positioniert werden können . Denn auch wenn die bewährten Antibiotika glücklicherweise in vielen Fällen wirken , brauchen wir resistenzbrechende Wirkstoffe mit neuen Wirkmechanismen . Die Wirkstoffforschung ist komplex , zudem sollen neue Wirkstoffe möglichst selten und nur kurz eingesetzt werden – Stichwort Reserveantibiotika . Aktuell sind fast 90 Arzneimittel gegen antimikrobielle Resistenzen in der Entwicklung , somit ist in den nächsten Jahren mit der Zulassung weiterer , neuer Antibiotika zu rechnen . Der Gesetzgeber will richtigerweise die Entwicklung von Reserveantibiotika fördern . Unter bestimmten Bedingungen wird deshalb für diese Medikamentengruppe automatisch ein Zusatznutzen anerkannt . Dieser Anreiz ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung .