+3 Magazin November 2021 | Page 16

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Winnie Bürger , Leserin
Einfach zu billig
Ich denke , es muss eine echte Agrarwende passieren . Nicht nur die Landwirte müssen anders wirtschaften , die ganze Wertschöpfungskette ist in der Pflicht . Dass inzwischen viele Landwirte ihren Hof nur noch als Nebenerwerb betreiben können , weil sie für ihre Produkte nicht kostendeckend entlohnt werden , ist ein Unding . Die Anforderungen an die Landwirte sind hoch , ganz besonders für tierhaltende Betriebe . Am anderen Ende steht der Verbraucher , der hohe Ansprüche an die Qualität hat , aber so wenig wie möglich ausgeben will . Dazwischen alle Arten von Verarbeitern und Händlern , die an möglichst hohem Gewinn orientiert sind . So kann das
nicht funktionieren . Wir brauchen hierzulande eine Tierhaltung , in der gilt : geboren , aufgezogen , gemästet , geschlachtet und verarbeitet in Deutschland . Nur so können wir Importe aus Ländern mit deutlich schlechteren Tierschutzgesetzen verhindern . Wir brauchen Gesetze , die sich nicht widersprechen . Und die Verbraucher müssen endlich lernen , Lebensmittel wertzuschätzen , besonders , wenn sie tierischen Ursprungs sind – und auch bereit sein , angemessene Preise zu bezahlen , damit die Bauern eine Chance haben . Diese Preiserhöhungen müssen in der Wertschöpfungskette dann aber tatsächlich auch an den Landwirt weitergegeben werden . Denn der hat dafür gearbeitet , die Wünsche der Verbraucher zu erfüllen . Dafür steht ihm eine faire , auskömmliche Entlohnung zu .
Andreas Flierl , Landwirt
TENDENZ STEIGEND Höhere Erzeugerpreise und mehr Bio-Anteil hängen zusammen
Gemüse + 3,9 %
E R Z E U G E R P R E I S E I N 2020 I M V E RG L E I C H ZU M VO R JA H RG E M Ü S E A N B AU F LÄC H E I N 2020
Obst Spargel + 24,0 % + 18,6 %
Erdbeeren
+ 39,1 %
Frank Ahrens , Landwirt
Hand in Hand mit dem Klimaschutz
-40,1% Kartoffeln
Getreide
Eier
+ 2,5 %
+ 3,8 %
-2,0% Milch
-6,1% Schlachttiere
Gesamt
Spargel
Salate
Möhren
Zwiebeln
Weißkohl
Kürbisse
Erbsen
Mit meiner Familie und unseren Angestellten bewirtschafte ich nun mehr als 40 Jahre unseren landwirtschaftlichen Betrieb . Unser Betrieb ist ein Gemischtbetrieb mit Milchkühen , Jungrindern , Aufzucht , Grünland und Ackerbau . Zurzeit ist die wirtschaftliche Lage auf den meisten Betrieben angespannt . Viele Betriebe werden diese Situation nicht überstehen . Das sind oft Betriebe die seit vielen Generationen wirtschaften . Landwirtschaft wird sich verändern , sie muss „ moderner “ werden . Sie wird gesellschaftliche Aufgaben übernehmen müssen , die von der Gesellschaft zusätzlich zu entlohnen sind . Diese Leistungen sind bei der Neuausrichtung der Agrarförderrichtlinien zu berücksichtigen und hier müssen neue Anreize geschaffen werden . Die Landwirtschaft benötigt mehr Wertschätzung und Akzeptanz in Hektar
16.378 ( 12,9 %) 25.880
1.665 ( 6,4 %) 14.595
983 ( 6,7 %) 13.792 2.799 ( 20,3 %) 12.301
1.111 ( 9,0 %) 5.946 421 ( 7,1 %) 4.673 1.497 ( 32,0 %) 4.547 1.581 ( 34,8 %)
Gesamt
126.507
Bio-Anteil
Quellen : Statistisches Bundesamt , BLE
aus der Bevölkerung . Die Landwirte müssen den gesellschaftlichen Dialog mit den Verbrauchern und den Politikern führen . Für mehr Tierwohl und Lebensmittelsicherheit benötigt ein landwirtschaftlicher Betrieb langfristig politische Sicherheit . Der Verbraucher hat es in der Hand , woher seine Lebensmittel zukünftig kommen werden . Wenn wir es nicht schaffen bei unserem Wohlstand , etwas abzugeben für Umweltschutz , Tierwohl , Insektenschutz und Artenvielfalt , dann wird das kein Land dieser Erde schaffen . Wir können einen Planeten retten . Hierzu ist meine Vision eine CO 2 -neutrale Landwirtschaft .
Auf Augenhöhe
Es ist gar nicht so einfach , Auszubildende für den Betrieb zu finden , da die meisten Interessenten stattdessen direkt ein Studium anstreben . Dabei spricht alles für den klassischen Weg : Wenn man eine Ausbildung in der Landwirtschaft absolviert hat , steht einem die Welt offen . Man wird überall gerne aufgenommen , weil die Leute einfach wissen , das sind Absolventen , die können anpacken , die sind belastbar , die haben ein praktisches Verständnis , die machen sich schon im Voraus Gedanken darüber , was kommen kann . Man wird zu einem echten Allrounder ausgebildet und lernt zugleich , wie wichtig das Miteinander ist – in jeder Hinsicht : Man arbeitet ja nicht bloß mit der Natur und passt sich den Gegebenheiten an , denn auch im Umgang mit meinen Angestellten und Auszubildenden versuche ich immer , eine Situation zu schaffen , die wirklich für alle Beteiligten passt . Gerade in der Ausbildung ist ein guter Umgang mit den jungen Leuten entscheidend : sie zu fördern , auf ihre Bedürfnisse zu achten , sie immer wieder zu motivieren , mit ihnen zu diskutieren . In meinem Betrieb dürfen Auszubildende alles machen – und müssen alles machen . Für mich gibt es da keine Unterschiede und ich versuche , mit ihnen von Anfang an auf Augenhöhe zu arbeiten , auch mit Auszubildenden „ ohne Stallgeruch “. Nur so kann ich ihnen vermitteln , wie spannend und komplex die Arbeit als Landwirt ist – und wie viel Spaß es macht , in der Natur und an der Natur zu arbeiten .
Svend Back , Leser
In Fesseln
Ein Landwirt ist mit seiner Arbeit nicht mehr Teil der Evolution . Während der Bauer früher das beste Saatgut für den Anbau aus der eigenen Ernte selektierte , führt er heute Saatpläne von Herstellern möglichst effizient aus . Meist ist das Ergebnis der Arbeit unfruchtbar und die Ernte für weitere Zucht nicht zu gebrauchen – oder die weitere Nutzung wird vertraglich untersagt . Fehlende Selbstbestimmung ist ein wichtiger Grund für Landwirte , um nach Alternativen suchen zu können .
Martin Kraft , Arbeitsbereich Umwelttechnologie Boden / Pflanze , Thünen-Institut für Agrartechnologie
Mitten im Wandel
Die Nutzung digitaler Lösungen in der Landwirtschaft wird erheblich durch den Generationswechsel und den hohen Ausbildungsstand junger Landwirte getrieben . In der Innenwirtschaft vereinfachen bereits automatische Melksysteme , Klimaanlagen und Roboter zur Fütterung und Entmistung die Arbeit . Auch Kameras und Sensoren , die das Verhalten der Tiere überwachen , sind in der Praxis angekommen . Aussagekräftigere Sensorsysteme zur Überwachung des Wohlbefindens und der Gesundheit der Tiere sind in der Erforschung und werden die Anwesenheitserfordernis der Landwirte weiter reduzieren . In der Außenwirtschaft führen automatische Lenk- , Dosier- oder Reihenführungssysteme bereits zu einer Entlastung der Landwirte . Sie können sich einzelne Anfahrten zum Feld sparen , indem sie etwa die Temperatur von Spargeldämmen oder die Position mobiler Beregnungsmaschinen auf ihrem Smartphone verfolgen . Zukünftig werden Landwirte ihre Pflanzenbestände aus der Ferne über Drohne und satelliten- und Big-Data-gestützte Beratungssysteme überwachen und Maßnahmen vorausschauend planen können . Eine entscheidende Arbeitserleichterung werden autonome Maschinen zur Feldbearbeitung und zur Ernte bringen . Fahrerlose Systeme sind noch weitgehend Zukunftsmusik , es gibt die ersten Modelle aber schon auf deutschen Äckern – wie einen akkubetriebenen Feldroboter , der vollautonom Unkraut in Zuckerrübenfeldern jäten kann , wo heute teilweise noch von Hand gehackt wird .