+3 Magazin November 2021 | Page 14

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Hartmut Matthes , Geschäftsführer Bundesverband Lohnunternehmen
Hauptsache Qualität
Folgt man den Aussagen von Verbrauchern und Politikern , dann ist es Zeit für eine Agrarwende : Die Landwirtschaft muss grüner werden . So wichtig diese Forderung auch sein mag – sie ist zu kurz gedacht . Wer beim Onlinehändler oder den großen Shoppingmalls einkauft , muss sich über die Verödung der Innenstädte nicht wundern . Genau aber das erlebt auch die Landwirtschaft . Die „ Geiz ist geil “ -Mentalität führt zu Preisen , die
Claus Blohm , Demeter-Obstbauer
Schlechte Aussichten
Als Obstbauer im Alten Land bei Hamburg bin ich seit Jahren jeden Tag mit dem Klimawandel konfrontiert . Das eine Jahr kämpfte ich mit der Hitze , das andere mit der Nässe . Dieses Jahr war die Luftfeuchtigkeit so hoch , dass ich meine Apfelbäume sehr oft spritzen musste . Da ich dies nur mit biologischen Mitteln tue , gibt es keine Haftmittel . Das heißt : viel Arbeit und hohe Ausgaben . Hinzu kommt , dass es sich mit den Schädlingen , die meine Apfelbäume vermehrt befallen , so verhält wie mit Menschen , die zu oft Fleisch von Tieren essen , die mit Antibiotika gefüttert wurden : Irgendwann sind sie dagegen resistent . Auf diese Weise sind 60 Prozent meiner Ernte kaputtgegangen . Mit den übrigen
die Kosten der Erzeuger nicht mehr decken . Was bleibt , ist ein „ Wachsen oder Weichen “. Die Einhaltung von gesetzlich erforderlichen Produktionsstandards ist nicht zum Nulltarif zu bekommen und erhöht die Kosten . Notwendigerweise müssen dann auch die Preise steigen . So sind Produkte des ökologischen Landbaus in der Regel auch teurer . Marktstudien zeigen , dass die Mehrheit der Verbraucher bereit ist , für Lebensmittel mehr auszugeben . Allerdings ist diese Bereitschaft an der Ladenkasse kaum noch zu erkennen – Hauptsache billig . Eine Agrarwende kann also nur dann erfolgreich sein , wenn auch die Gesellschaft ihr Konsumverhalten ändert . Das bedeutet nicht automatisch weniger , sondern vor allem anders . So kann jeder einen aktiven Beitrag zum Schutz der natürlichen Ressourcen leisten und durch eine bewusstere Ernährung auch die eigene Gesundheit fördern . Landwirte können und wollen einen Beitrag zu einer Agrarwende leisten – mit Wertschätzung ihrer Arbeit und fairen Preisen .
40 Prozent lässt sich kein vernünftiger Gewinn machen . Da hilft leider auch die erfolgreiche Klage gegen die Bundesregierung nicht , dass meine beiden Kinder und andere Nachkommen von Landwirten durch den Klimawandel in ihren Freiheitsrechten beschränkt werden . Die Lebensgrundlage von Landwirten ist nun mal die Natur . Und diese ist mehr als bedroht . So wie es aktuell mit meinem Betrieb läuft , werde wohl ich derjenige sein , der dort das Licht ausmacht . Auch wenn meine Kinder mit der Klage hoffen , die Politik noch wachrütteln zu können , bin ich da weniger optimistisch . Solange landwirtschaftliche Produkte nicht das kosten , was sie wert sind , unsere Arbeit nicht angemessen honoriert wird und die Politik nicht drastischer ihre Klimaziele befolgt , sehe ich schwarz .
Haltungsform
Anbindehaltung
Laufstall
Andere Haltungsverfahren
Rinder mit Weidezugang
Quellen : Statistisches Bundesamt , BLE
WIE WERDEN RINDER IN DEUTSCHLAND GEHALTEN ?
Magdalena Zelder , Landwirtin
Mittendrin statt nur dabei
Mein Mann und ich kommen beide aus der Landwirtschaft , konnten aber in die elterlichen Betriebe nicht einsteigen . Trotzdem haben wir Landwirtschaft von der Pike auf gelernt . 2013 sind wir mit einem eigenen Milchviehbetrieb gestartet , merkten aber schnell , dass wir uns breiter aufstellen müssen . Darum bauten wir uns einen mobilen Hühnerstall für 120 Legehennen und eröffneten einen kleinen Rundum-die-Uhr-Selbstbedienungsladen für den Verkauf der Eier . Aus einem Produkt sind mittlerweile fast 20 geworden und aus 120 Hühnern
2010
4,2 %
74,3 %
2009
21,4 %
37,2 %
STRUKTUREN
2020
7,2 % 9,9 %
82,8 %
2019
31,4 %
740 in Freilandhaltung . Als Lernort Bauernhof haben wir zudem viele Gruppen auf dem Hof , denen wir die moderne Landwirtschaft zeigen möchten . „ Mittendrin statt nur dabei “ ist unser Motto . Wir wünschen uns , dass die Menschen wieder mit uns statt über uns sprechen . Unser neuestes Projekt ist die Etablierung eines Bauernhof-Kindergartens . Diversifizierung wird bei uns also großgeschrieben . Finanziell und auch gesellschaftlich können wir diesen Schritt als absolut positiv bewerten . Nicht zu unterschätzen ist aber die Mehrarbeit durch die vielen Standbeine . Es macht mich nachdenklich , dass viele landwirtschaftliche Familienbetriebe nur bestehen können , wenn sie sich weitere Standbeine aufbauen – und das bei der hohen Arbeitsbelastung von 12 bis 14 Stunden täglich . Fachkräfte zu finden , die unterstützen , ist auch in unserer Branche schwierig . Diversifizieren ist also eine Möglichkeit , aber nicht für alle Betriebe zu stemmen .
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Foto : K . Mellenthin

Mit Landraub oder mit Menschen ?

Wo Ungerechtigkeit , Gewalt oder Armut herrschen , stellt sich MISEREOR ohne Wenn und Aber an die Seite der Menschen . So unterstützen wir zum Beispiel kleinbäuerliche Familien im Senegal bei ihrem Kampf um Land und Würde . Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort und mit Menschen wie Ihnen . misereor . de / mitmenschen
MIT MENSCHEN .