+3 Magazin November 2020 | Page 4

4
+ 1
WIR FRAGEN :

WIE GELINGT DER ALLTAG MIT DIABETES ?

© iStock ./ lovro77
Bereits mit 2,5 Stunden aktivem Spazierengehen pro Woche können zwei von drei Diabetikern ihre Medikation reduzieren .
Quelle : aerzteblatt . de
Thomas Danne , Chefarzt für Diabetologie , Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult Hannover
Öfter im Zielbereich
In den letzten Jahren hat sich die Kinderdiabetologie als Vorreiter in der Entwicklung und Nutzung von Diabetestechnologie erwiesen . Bereits heute verwenden über 50 Prozent aller Patienten unter 18 Jahren eine Insulinpumpe – im Kleinkindalter sind es sogar über 95 Prozent . Sowohl bei Pumpen- wie auch Pentherapie nimmt die Nutzung von kontinuierlichen Glukose-Messgeräten ( CGM ) zur Stoffwechselüberwachung rasant zu . Seit 2016 ist CGM für Menschen mit Diabetes , die einer intensivierten Insulinbehandlung bedürfen , eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen .
Mithilfe von CGM kann die Blutzuckereinstellung häufig deutlich verbessert werden . Zusätzlich geben Trendpfeile die Richtung der Glukoseänderung an , sodass für eine Einschätzung der aktuellen Situation nicht nur der aktuelle Wert , sondern vielmehr der Trend der Glukosespiegel-Entwicklung ( stabil , abfallend oder ansteigend ) herangezogen werden kann . Damit man durch die vielen täglichen Glukosekurven nicht verwirrt wird , hat sich die Analyse der sogenannten „ Zeit im Zielbereich “ bewährt . Zur besseren Vergleichbarkeit der Werte vor und nach einer Therapieänderung wird die prozentuale Zeit , die im Verlauf der 24 Stunden zwischen Glukosewerten von 70 bis 180 mg / dl ( 3,9 bis 10 mmol / l ) liegt , als Bewertungsgröße für CGM von der zugehörigen Software berechnet . Es bleibt zu hoffen , dass immer mehr Menschen von den Neuerungen der Diabetestechnologie profitieren .
Ortrud Gernand , Leserin
Eine Ehe zu dritt
Mein Mann feiert im Corona-Jahr ein Jubiläum : 50 Jahre Typ-1-Diabetes , 45 davon mit mir gemeinsam . Diese Entwicklung von der Pferdekutsche zum Porschefahren hat nichts von dem Edgar-Wallace-Krimi , bei dem sich Klaus Kinski zitternd die rettende Insulinspritze in den Oberschenkel rammt . Obwohl unser Leben auch filmreif wäre : vom Auskochen der Glasspritzen über den Pen bis zur Insulinpumpe mit Sensor zum Zuckermessen im Oberarm . Zum Vergleich : 2.500 Fingerstiche pro Jahr vor der Sensorzeit und etwa 40.000 Spritzen insgesamt . Wie man das schafft ? Das Wichtigste :
Bescheid wissen über Diabetes und den Körper , über Kohlehydrate und angepasste Insulinmengen sowie eine Portion Glück . Noch wichtiger : Diabetes als Teil des Lebens annehmen , dann kann man ihn einigermaßen kontrollieren und der Diabetes kontrolliert nicht das eigene Leben . Übrigens : Gefahr für Leben und Beziehung lauert bei Diabetikern in Unterzuckerungen mit Verwirrtheitszuständen , aggressivem Leugnen des Problems und schlimmstenfalls Bewusstlosigkeit . Bei Normalwerten von 120 mg / dl wird es schon ab 50 mg kritisch . Das geht manchmal schnell . Da reichen einige Treppenstufen oder ein Spaziergang . Dem diskret geflüsterten Hinweis „ Traubenzucker essen “ kann schon mal ein unter Hypoglykämieschock laut gebrülltes „ Lass mich mit deinem blöden Essen in Ruhe “ folgen – und mit ihm sämtliche Blicke der Umgebung . Das Gute : Diese Beziehungskrise ist mit Traubenzucker oder Saft zu beheben .